Dave Corp "The Sweet Life" (Sluggo's Goon Music 2007)

In Amerika ist rauchen verboten. Trinken aus der Flasche auf offener Straße? Verboten. Das riesige Land hat sich eine Fülle an Gesetzen und gesetzlichen Entscheidungen aufgebuckelt, so dass aus dem freiesten Land der Erde seit langem schon ein ziemlich unfreies geworden ist. Wir altes Europa sind, wie allgemein bekannt, frisch dabei, die Verbotsleckerli peu á peu zu importieren. God bless Europe!
Schön, dass aus den Tiefen der Straße unter den Wolkenkratzern noch echte Menschen leben, die sich einen Dreck um das saubere Image von Gottes schönstem Land scheren und mit Kunstsinn, vitaler Kreativität, forsch-witziger Inspiration und einigem frischen Geist daran gehen, Musikkunst gegen den Strich zu kreieren, sich zu beweisen - und dann ihre Kreation mit einem Cover zu würdigen, dass mehr als ‚Shit Happens' (eher ‚Fuck You') [auf ragazzi darf man so etwas schreiben] bedeutet…
Ebenso schön die Innenseite des einblättrigen Covers. Dave Archer (keys) mit Schnaps und Zigarette, Matt Hankle (dr) mit Bierbüchse und Mr. Grin (b) mit allerlei Trinkzeug. Das bläst die Realität weg. Kein sauberes Lächeln, kein Anzug, kein buntes Glühen, keine Reinheit, im Braunton des Covers sieht alles irgendwie, na ja, düster aus.
Aber - alles Nebensache. Es geht um Musik. Das Trio namens Dave Corp hat 6 Songs eingespielt, die es zusammen auf 42 Minuten bringen. In allen musikalischen Ideen, in jedem Ton ist eine anarchische Attitüde zu spüren. Die Songs klingen dreckig, wild, leidenschaftlich, aus dem Morast der Gefühle gegriffen, und selbst, wenn es mal schöngeistig wird, drückt die Band auf genügend "falsche" Tasten, keinen falschen Eindruck zu hinterlassen. Nix Sonntagsmusik, nix mit freundlichem Nachbarn, das ist Aggression, Wildheit, Explosion. Ganz so wie der winterliche Garten hinterm alten Haus, unter dem der Frühling gärt. Und die windschiefe Scheune geht nicht kaputt!
Schublade? Ja, so etwa steht es schon im Presseblatt: zwischen Miles Davis und Nine Inch Nails, King Crimson und Stevie Wonder - Industrial Jazz Rock mit schreienden Synthesizerfiguren, flauschigen Fender Rhodes, im komplexen Rhythmusspiel einige Drum'n'Bass Sachen und Latin Funk. Und die Energie eines Keith Emerson, wie er zu Beginn seiner Karriere die Orgeln auf der Bühne traktierte und Töne entlockte, die schon mal wehtaten und überwältigten. Kein Heavy Metal. Eher Heavy, ähm, Wood!
Das Trio spielt mal manisch minimalistisch, dann extrem komplex, donnert wie eine Metalband durch ihre Songideen, radikalisiert die improvisativ wirkenden, harten, lauten und aggressiven Strukturen, lehnt sich in Jazz-Fusion zurück, holt die 70er ans Tageslicht, und ohne zu verpoppen, 'Tschuldigung, ohne Pop draus zu machen, fügen sie allerlei moderne schräge Sounds ein.
Aber auch, wenn mal ein Stück zwischendurch etwas langsamer und träumerischer ausfällt, wobei es nie ein ganzes Stück über bleibt, muss das Trio doch zumeist rocken. Rocken! Das haben sie sich versprochen. Und das können sie auch. Wahrhaft exzellent, irgendwo im jazzigen Rocksumpf. Fett, schwer und schräg!
Gerade im Progressive Rock gibt es ja allerhand Keyboardbands, die mit Schöngeist einlullen. Diese hier sind anders gestrickt - und vielleicht gerade deswegen ein unbedingter, dringender Tipp. Wo ansonsten alles schön gemacht wird, wird hier verwüstet. Das öffnet den Blick für mal ganz andere Strukturen gar nicht anderer Denke.
Unbedingte Empfehlung!

sluggosgoonmusic.com
myspace.com/davecorp
VM



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