Michael Daugherty "Philadelphia Stories; UFO" (Naxos 2004)

Michael Daugherty gilt als meistgespielter amerikanischer Komponist seiner Generation und hat eine Professur für Komposition an der University of Michigan inne. Dies alles ist für den Rezensenten allerdings weit weniger von Belang als seine hochinteressanten Kompositionen, die z.B. alte Meister zitieren bzw. adaptieren (Philadelphia Stories) oder mit einfachen Mitteln in Richtung Gesamtkunstwerk tendieren (UFO); immer wieder scheint ihm dabei der Schalk im Nacken zu sitzen. Dies nimmt seiner Musik die Schwere und das schwülstige Pathos, mit dem viele seiner Altersgenossen zu liebäugeln scheinen, um seriös genug zu wirken. Doch Qualität geht nicht zwingend einher mit versteinerter Mimik während des Komponierens, auch nicht bei der so genannten Ernsten Musik. Dabei ist Humor, um den es hier geht, nicht zu verwechseln mit der gegenwärtig omnipräsenten Spaß-Maschinerie. In der Tat muten viele der heutigen Komiker eher seltsam als lustig an, ja wecken bisweilen sogar ein Gefühl aufrichtig empfundenen Mitleids, da man beim "Goutieren" ihrer Darbietungen mehr oder minder leidet, wenn man auf Grund zwingender Umstände nicht umhin kommt, diesen beizuwohnen. Leider wird von Geist durchdrungener Humor immer seltener und darüber hinaus in der Musik als Wertkategorie viel zu wenig berücksichtigt, denn er kann einerseits Trieb-Antrieb sein, um Dinge bewerkstelligen zu wollen, auch wenn sie schwierig erscheinen und andererseits eröffnet sich durch den Impuls nicht alles so ernst zu nehmen - auch sich selbst nicht - die Perspektive eines spielerischen Umgangs mit dem Leben - vom Homo Ludens ist es nicht mehr allzu weit zum Lebenskünstler, dessen reflektierender Variante. So ist bei Goethe folgendes nachzulesen: "Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist gewiss nicht von den Besten."
In "Philadelphia Stories", der dritten Sinfonie Daughertys, wird im ersten Satz "Sundown On South Street" das nächtliche Treiben auf den Straßen thematisiert. Nach einem fast schon lyrischen Beginn entwickelt sich das Szenario zu einem Klanggemälde, das zum Ende hin immer perkussiver wird. Der zweite Satz "The Tell-Tale-Harp" (Man beachte das Wortspiel!) für zwei Soloharfen und Orchester könnte selbst Geister, die es in den Werken Edgar Allan Poes, der in Philadelphia seine fast gleich lautende Geschichte schrieb, zuhauf gibt, zum Tanzen animieren und stellt damit eine ganz besondere Form des Animismus dar. Ein Kabinettstückchen gleich in mehrfacher Hinsicht gelingt Daugherty im dritten Satz "Bells For Stockowski", indem er, wie bereits im Titel anklingt, als Hommage an diesen bedeutenden Dirigenten und Arrangeur, der mit Orchestertranskriptionen des größten musikalischen Genies überhaupt Aufsehen erregte, selbst ein Thema in der Art J. S. Bachs komponierte und dieses mittels Variationen in seine eigene Klangsprache übersetzte. Wenig später lässt er seine Transkriptionen des berühmten C-Dur-Präludiums aus dem Wohltemperierten Klavier Teil eins erklingen, um in der Coda nochmals Stockowskis musikalischen Manierismus aufleben zu lassen. Der kompositorische Versuch einer Humoreske birgt stets die Gefahr des Scheiterns und gerät leicht zur Burleske, doch Daugherty meistert dieses Risiko mit einer Verve, die selbst chronischen Beckmessern ein Lächeln abzuringen in der Lage ist.
Der (Hinter-)Sinn Daughertys für Humor setzt sich im Konzert für Soloperkussion und Orchester fort. Schlicht als "UFO" bezeichnet, geht es hier um nicht identifizierte fliegende Objekte - Schwingungen hervorgerufen von nicht identifizierbaren Klangobjekten sind schließlich nichts anderes. Während "Travelling Music" - eine Art Ouvertüre - erklingt, erscheint die Solistin Evelyn Glennie als Alien verkleidet bei dem Geräusch einer mechanischen Sirene. Im folgenden "Unidentified", das an den angeblichen UFO-Absturz 1947 in Roswell erinnern soll, bearbeitet Glennie neben einem Xylophon acht "unidentifizierte" Metallstücke, die sich bei genauerem Hinhören als Glissandogongs, Cymbal-Stacks und ähnlich überirdisch interessant klingende Spiel-Sachen erweisen. Es schließt sich "Flying" an, das durch teils unorthodoxe Spieltechniken auf Vibraphon und Becken, die frei schwingend im Raum aufgehängt wurden, den Eindruck von fliegenden Untertassen entstehen lässt - entsprechende Ausleuchtung verstärkt diesen Effekt noch. Der ungemein symbolträchtige Titel "???" des nächsten Satzes macht seinem "Namen" Ehre, denn die Begegnung von Solo-Kontrafagott und Schlagwerk der dritten Art (diverse Klimperperkussionsinstrumente), die einen Improvisationsteil für Glennie beinhaltet und von der Schlagzeugabteilung begleitet wird, klingt zeitweilig recht "abgehoben". Nahtlos knüpft "Objects" daran an: Trommelkaskaden im 5/4-Rhythmus, gestimmte Kuhglocken, diverse Becken, ein ausgiebiges Solo, das die Trommeln und Kuhglocken nochmals in den Vordergrund rückt… da bleibt nur noch ein Wunsch offen, nämlich das Erscheinen dieses Werkes in Form einer DVD, um auch der visuellen Komponente gewahr werden zu können! Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die anderen Partizipienten: das unter dem Dirigat von Marin Alsop sehr differenziert aufspielende Colorado Symphony Orchestra.

Frank Bender



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