Dark Tranquillity - Character (Century Media 2005)

Das sind also Dark Tranquillity anno 2005: Irgendwie wieder am Anfang. Und das soll nicht negativ gemeint sein, einen Schritt zurück hat man nämlich auch wieder nicht gemacht. Damit ist vielmehr die Rückkehr zu alten (oder auch: neuen) Idealen gemeint.
Mit wiedergefundener Aggressivität geht man auf 'Character' zu Werke. Geradezu beängstigend, wie "The New Build" mit einem Gebretter loslegt, das man vielleicht noch von einer US-Death-Kapelle erwarten würde, aber nicht von den Schweden. Es fällt auch zunächst nicht leicht, die Songs nachzuvollziehen - Es fehlt an offensichtlichen Hooks, an greifbaren Melodien. Die nicht fehlen, jedoch unter einer gewaltigen, unzertrennlichen und eben intensiveren Klangwelle versteckt liegen. Und doch spielen die kleinen elektronischen Elemente, die auf 'Damage Done' schon verstärkt auf sich aufmerksam gemacht hatten und meist als unterschwellig wahrnehmbare, musikalische Eskorte präsent sind, eine immere größere Rolle. Bekommen auch mal ihren Platz als seperat stehende Passage. Gleichwertig als eigenes Instrument eingesetzt, nicht nur der Intro-Outro-Dekoration dienlich. Zwei Gegensätze also, die Schöne und das Biest, aber auf so geschickte Weise verflochten, dass sie sich nie gegenseitig ein Hindernis sind.
Damit wird das Konzept, das hinter 'Character' steht, vorzüglich unterstützt. Es geht um die Seele und ihre Beziehung zur Außenwelt, ihre Integrität. Und irgendwie auch um die Band selbst, die jetzt eine Katharsis durchläuft; große Klangexperimente gehören der Vergangenheit an, eine Besinnung auf alte Stärken - die Konsequenz, nicht selbstverständlich, aber in diesem Fall um so mehr zutreffend: die Erlangung neuer Frische. Die Musik gewinnt an Tiefe, erlaubt eine differenziertere Perspektive, degradiert sich aber nie zum Déjà-Vu-Erlebnis - man muss sich eben erst einhören, vielleicht auch mit älteren DT-Werken vertraut sein, um sie auf diese Art und Weise wahrzunehmen. Darum ist 'Character' als Einstiegsalbum in die Banddiskographie vielleicht auch nicht optimal geeignet, wobei sich das natürlich nie pauschal sagen lässt. Aber ein Wolkenkratzer ist eben um so beeindruckender, wenn man auch mal oben war.
Ohne Frage gehört diese Platte zu den ausgereiftesten und durchdachtesten der Band - und verglichen mit den meisten anderen Alben in diesem Subgenre ist sie sowieso über alle Zweifel erhaben.

darktranquillity.com
Timo



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