Dakrya "Crime Scene" (Sensory/The Laser's Edge, VÖ: 12.11.2010)

Und mag Progressive Rock noch so alt werden: so lange es Musiker (und ihre Hörer) gibt, die Bock drauf haben, ihre Inspiration im Genre auszutoben, wird es die Komplexrocksymphonien geben. Je älter Progressive Rock wird, umso mehr Gesichter bekommt der Spielmannszug. Dakrya, die sich (siehe Cover) ungriechisch eigen schreiben, mischen bekannte Prog-Schubladen ungewöhnlich zusammen und machen ihren Sound frisch und böse witzig.
Und damit fangen sie gleich zu Beginn an. Eine Spieluhr führt in den ersten Song und der Horror-Clown auf dem Backcover grinst zu den Klängen. Wird das böse enden oder böse enden, wird sich der geneigte Hörer fragen. Die Spieluhr hat ein teuflisch witziges Thema im Ansatz, das schnell und mitreißend ins Ohr geht und wie der Rattenfänger zu Hameln die Seelen mit sich zieht. Und wohin geht die Reise?
Die Band steigt ein und der Clown reißt genüsslich sein Maul auf. Dakrya spielen polternden Prog Metal mit Andockung an Speed und Power Metal. Anarchisches Gedankengut liegt in der Luft, rattenscharfer Metalprog in höchster ICE-Geschwindigkeit und nicht ohne schräge Anleihen, die da etwa wären: der doppelte weibliche plus einfach männliche Gesang mit Gothic-Einbindung in einem Mix aus The Gathering und Devil Doll, tiefer gelegte Gitarren, ironische Keyboardtapeten, die neben ihrer melodischen Arbeit für gruselig-lächerlich-anarchische Atmosphäre sorgen, Arrangements, die aus dem Gleis springen und von Normalmetalprog zu Stampfpolterruckzuckelmordsgepolter wechseln, schöngeistige Zwischenspiele, übliche Metalanleihen, ästhetische Schlenker aus dem Normalen ins Übernormale und der belustigende Szenenwechsel zwischen den Metalschienen - zusammen: macht Laune, sich dem Poltergeistclown zu widmen und den Damen und Herren bei der technisch erstklassigen Arbeit mit Hingabe genüsslich zu lauschen. Die haben den Schalk im Nacken und lassen diesen jenigen welchen oft die Arbeit übernehmen, ohne ihre Vorliebe für Krachmusicke auch nur für kurz aufzugeben. So süßlich die Stimmen der Damen, so scharf geschliffen die Axt hinter der nächsten Kurve und die fällt zielgenau.
Kleine Anekdote nebenher: die CD reift schon eine Weile im Hause und zum Anlass eines Anlasses trafen ein paar Leute unterschiedlicher Musikvorstellungen zusammen. Die 12 Jahre alte Helene stiefelte, weil sie es so wollte, in den Nebenraum und holte ‚irgendeine' CD in die Partyatmosphäre, die ihr just in die Hände fiel. Die Japaner P.O.N. hat sie kurz darauf wieder zurückgebracht und Dakrya angeschleppt. Es wurde neben der Musik geplaudert, gespielt, Faxen gemacht und allerlei Unsinn getrieben. Erstaunlicher Weise jedoch gab es, obschon die Musik, von Helene mit Spitzbubengesicht immer lauter gestellt, kaum Reaktionen auf die Fraktalanalysen Daktryas, bis auf Nachfrage jemand meinte, das sei in diesem Hause doch immer so! Helene hingegen war begeistert und schließlich erstarb am Nachwuchstisch das studentische Geplauder, bis es in musikbesessener Weise erneut belustigt aufbrach. War nett. Der 79 Jahre alten Dame auf der hellen Couch gefiel es indes nicht: "das ist ja noch schlimmer als Led Zeppelin…" war ihre lakonische Aussage mit getrübt geknicktem Blick.
Woraufhin die Comedian Harmonists die Welt wieder in Ordnung brachten.

dakrya.com
lasersedgegroup.com

VM




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