Daimonji "Into a blind alley" (God Mountain 2005)

Japan könnte die Welt mit Designern überschwemmen. Die ganz ureigene Art des Bildausschnittes, der irrwitzigen Zusammenstellung von Farben und Formen, Schriftzeichen, Fotoretuschen und unnachahmbar wild eingebrachten Figuren, Licht- und Schatteneffekten oder einfach die überwältigende Art der Farbfröhlichkeit, was sich kein Europäer ernsthaft erlauben würde - der Schockeffekt wäre zu groß, oder keiner wollte anderes mehr sehen.
Hoppy Kamiyama hat für das zweite Daimonji Werk den gleichen Designer ausgewählt wie für CD1, die Verpackung der CD zu gestalten. Viel gab es da nicht zu tun. Das Booklet ist ein beidseitig bedrucktes Faltblatt, Innenseite sowie Außenseite des Backcovers, fertig.
Entsprechend rar sind die Informationen gesät. Übersichtlich aufgelistet in den farbenfrohen Schnörkeln der sensationellen Bildgestaltung: aufgenommen live am 5. im O-west Studio und 6. Juni 2004 im FAB in Tokio, gemixt von Tatsuya Yoshida in seinem Magaibutsu Studio in Koenji, gemastert von Yoshiaki Kondo in Kojima Recordings, Tokio. Das war's.
Daimonji kann man als wahnsinnig extravagante und extrem schräge Antwort auf Emerson, Lake & Palmer sehen. Neben Hoppy Kamiyama, der Keyboards spielt, "singt" und für Gram-pot steht (was immer Seltsames das auch sein mag, es steht ebenso auf allen Soloalben Kamiyamas), sind wieder Mitsuru Nasuno am Bass und der Ruins Vordenker und irrwitzige Radikalschlagzeuger Tatsuya Yoshida in die Einspielung der 4 Tracks, die locker 60 Minuten füllen, involviert gewesen.
Den Auftakt macht das 20-minütige "Starstruck". Die ersten Sekunden noch kann man mit Phantasie Keith Emerson ausmachen, danach trampelt das Trio mit heftigem Spiel und ungemein guter Laune in freie Strukturen ab. Die drei folgenden Songs sind um die 13 Minuten lang, unterscheiden sich kompositorisch vom Opener, aber nicht in der freien Wesensart. Scheinbar zufällig wechseln Sound und Dynamik, Rhythmus und Melodie - einfach so - mittendrin, aus reiner Freude am Leben und am musikalischen Gestalten der phantastischsten Freiheiten. Da war eben noch ein quietschend-kreischender Keyboardsound, der bricht in ein harmonisches Pianomotiv auf, dem Hoppy Kamiyama und Tatsuya Yoshida die vokale Volldröhnung geben. Tatsuya Yoshida ist für seine, frei nach Magma klingenden, Wolfsgeheul-Vokalismen bekannt, das lebt er hier, wie schon auf dem Debüt von 2003 gelöst und heiter aus, mit sich und der Welt im Reinen, es sprudelt aus den Beiden, dass es eine Lust ist.
Das dürfte wohl das Potential der interessierten Fans einschränken, macht den Verbleibenden dafür umso mehr Freude. Tatsuya Yoshida trommelt ein Gewitter zusammen, spielt sich in Trance, als sei er ein mongolischer Steppenheiliger, Mitsuru Nasuno hält die Verbindung zu Melodie und Rhythmus, während Hoppy Kamiyama den Wechsel von klassischen Strukturen im Pianosound zu elektrischem Jazzrock plus hymnisch-bombastischem Symphonic-Sound mit gesampeltem Mellotron (und zurück) wagt - "Lunaria" ist nur eine der Orgien, die das Trio ganz entspannt drauf hat.
Das laszive "Moonface" ist wohl der künstlerische Klang der Geisteskrankheit. Da singen gefangene Seelen kuriose Schmerzlieder! Wie kriegen die nur immer wieder diese eigenartigen Klänge ausgedrückt? Woher die Inspiration? Mit welchem Selbstverständnis musizieren sie derart frei?
"Perseus" entwirft ungemein spannende Strukturen. Bassist Mitsuru Nasuno spielt sich die Finger blutig an dem endlosen Motiv, Tatsuya Yoshida ist wie wild "unterwegs", arbeitet sich wie der König der Tiere durch den Urwald und Hoppy Kamiyama dramatisiert extrem dissonante Jazzrock-Harmonien und dreht an den Knöpfen seines elektronischen Tastenensembles, was eine Menge variabler Sounds erschafft.
Vielleicht ist Daimonji für den Progressive Rock, was Free Jazz allgemein im Jazz war. Die extreme Abstraktion als Tanz auf dem Vulkan. Die Musiker spielen mit Leidenschaft, als hätten sie Zeit und Raum vergessen. "Into a blind alley" hat keine Songstrukturen, die ins Solistische wandern, keine Songs mit instrumentalen Passagen - hier ist alles instrumental wild ausgefertigt. Und damit von großer Anmut und Anziehungskraft.
Daimonji ist eine Herausforderung, immer wieder. Nicht allein wegen der schrägen und freien Strukturen, die immer und stets Progressive Rock sind, sondern auch wegen der langen Songs und der Heftigkeit der Einspielung.
Unbedingte Kaufempfehlung!

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VM



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