Daimonji "Improg" (Poseidon/Musea 2003)

Glücklicher Weise gibt es immer wieder Veröffentlichungen, die bewusst machen, wo die Spitze des Eisberges ist, wie Musik zu klingen vermag, wenn sie von inspirierten Musikern wohl komponiert und gespielt wird. Daimonji, ein frisches japanisches Trio, vermag diese Qualität zu geben, vermag, mit Musik zu überraschen, mit Virtuosität, Verstand und Improvisationslust zu arbeiten. Das Selbstverständnis der Band liest sich wie folgt: "There are plenty of bands out there who improvise in jazz and avant garde vocabularies, but Daimonji´s "improvised progressive rock" is sure to become a unique and continous challenge to genre conventions." Dem kann ich mich ohne Vorbehalt anschließen. Keyboarder/Sänger Hoppy Kamiyama (God Mountain Records - Besitzer, hat unter anderem Tipographica, Altered States, Tatsuya Yoshida veröffentlicht), Bassist Mitsuru Nasuno (Altered States, Ground Zero, Korekyojin) und kein geringerer als Schlagzeuger/Sänger Tatsuya Yoshida (RUINS, etliche Bands/Projekte) sind die Musiker des Trios. Daimonji wurde ursprünglich als Improg gegründet, was lediglich als Name der CD verblieb. Alle drei spielen auch in der Jun Togawa Band. Die Konzerte der Jun Togawa Band beginnen gewöhnlich mit einem improvisierten Jazzrock. Daimonji bauen ihre komplette musikalische Orientierung darauf.

Gerade 4 Songs sind auf dem Debüt des Trios, jedoch 4 Songs, die zusammen 78 Minuten lang sind. Was das Trio hier veranstaltet, ist Kraftsport mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen. Tatsuya Yoshida müssen die Arme abgefallen sein nach dem Einspielen nur eines dieser Songs, seine hammerharten, virtuosen Rhythmen und solistischen, improvisativen Aktivitäten sind gute Schule nicht nur für angehende Schlagzeuger. Tatsuya feuert eine unendliche Fülle an Rhythmen ab, bleibt stets sehr variabel und verspielt, dabei dynamisch und lebendig. Die Kraftanstrengung und Konzentration will erst einmal aufgebracht werden! Zudem "singt" oder besser "lautiert" Tatsuya wie Christian Vander in einem kobaianisch nachgeahmten, sinnfreien, vergnüglich-varibalen Kauderwelsch, dass sich unwillkürlich die Frage eröffnet, wie der Mann nur die Konzentration dafür aufbringt. Doch wer eine RUINS-Platte gehört hat, weiß, dass der Mann in Übung ist und das volle Repertoire an Tönen und Schlägen stets zu geben weiß. Bassist Nasuno Mitsuru, wie sehr er auch am Gerüst der Songs festhält und feste Struktur schafft, greift solistisch aus und auch er scheint von Magma, speziell vom urtypischen Bass-Spiel von Jannick Top oder Francis Moze inspiriert. Hoppy Kamiyama ist der melodischen Dimension von "Improg" verpflichtet. Seine Jazz-Harmonien sind die Radikalisierung all dessen, was an Tastenarbeit im Jazzrock geleistet werden kann. Hoppy hat nicht nur eine unglaubliche Fingerfertigkeit, mit der er über die Tasten rast, nicht nur große Konzentration, mit der er die melodischen Fugen schafft, sondern auch unglaubliche und schier endlose Phantasie, aus der er die langen, stets vielfältigen Improvisationen bezieht.

Auch wenn Daimonji das epische Format der Songs durch verspielte Improvisationen erreichen, sind die Stücke doch sehr strukturiert, haben Ecken und Kanten und verlieren sich nicht in soundtüftelnder Langeweile, wie es im Psychedelic Rock häufig geschieht. Wenn sich auch die melodischen Motive der Songs nicht sofort leicht eröffnen, bleibt Nachvollziehbarkeit stets gewährt. Daimonji verblüffen gerade durch die straffe Inszenierung ihrer Musik, durch weite, tiefe Ausarbeitung der Themen, die weniger der Suche nach Tönen als dem Unterbringen aller Ideen verpflichtet ist. Trotz der anspruchsvollen Musik ist "Improg" nicht nur ein Album für Spezialisten. Jazzrock-Interessierte, die weniger radikale Musik mögen, dürften überrascht sein, dass sich das Werk trotz der harten, avantgardistischen Orientierung "ertragen" läßt. Spezialisten sind natürlich sowieso aufgefordert, sich der Perle zu bemächtigen.

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VM



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