Interview mit Colin Currie im September 2006

Der 30-jährige schottische Percussionist Colin Currie ist zwar (noch) längst nicht auf so vielen verschiedenen Tonträgern zu hören wie Evelyn Glennie, die ebenfalls aus Schottland stammende Grande Dame der Schlaginstrumente, übertrifft diese aber hinsichtlich seiner technischen Fähigkeiten und der Ausdrucksstärke seines Spiels bei weitem. Somit bleibt zu hoffen, dass seine Omnipräsenz in den Konzertsälen dieser Welt endlich ihre aufnahmetechnische Entsprechung finden möge, da sich in seinem Repertoire viele hochinteressante - teilweise eigens für ihn geschriebene - Stücke befinden, die einer Verewigung auf Tonträger harren.



ragazzi: "Wann fingst Du an zu trommeln?"

Colin: "Ich begann bereits sehr jung, so etwa mit zwei oder drei Jahren und wurde zunächst über eine relativ lange Zeit von Rock- und Popmusik beeinflusst."

ragazzi: "Die schottische Trommeltradition ist weltberühmt - hattest Du Unterricht in dieser Tradition?"

Colin: "Nein, aber ich hatte ein wenig Dudelsack-Unterricht. Dennoch mag ich das Schottische Trommeln sehr, vor allem der Klang der Snare Drums hat es mir angetan."

ragazzi: "Spielst Du auch Drumset?"

Colin: "Nicht wirklich - ich spielte früher mal, aber es gibt so viele fantastische Drumkit-Spieler, da überlasse ich lieber denen das Feld. Nur während Konzerten kommt es gelegentlich vor, dass ich an drumkitähnlichen Sets ein wenig spiele, was mir immer sehr viel Spaß macht."

ragazzi: "Wolltest Du schon in Deiner Jugend das musikalische Feld in ``klassischer`` Weise beackern oder schlägt in Colin Currie auch das Herz eines Rock- oder Jazzschlagzeugers?"

Colin: "Nicht unbedingt das eines Jazz-Trommlers, obwohl ich hin und wieder gerne zu Jazz-Gigs gehe. Im neuen Konzert von Higdon habe ich eine Solo-Kadenz, in der ich richtig losrocken kann und ich genieße das sehr."

ragazzi: "Spiel(te)st Du in einer Band?"

Colin: "Ich bin Mitglied in der Steve Martland Band. Das ist eine Gruppe von britischen Musikern, die hochenergetische Minimalmusik spielt. Ich spiele in dieser Band Marimba und wir haben ein komplette Rhythm-Section inklusive Drummer."

ragazzi: "Hörst Du Dir auch Popmusik an und falls ja, was hältst Du von Hip Hop, Drum´n Bass oder Techno?"

Colin: "Ich mag all diese Arten von Musik; Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie handwerklich gut gemacht sind."

ragazzi: "Kannst Du Dir vorstellen Progressive- oder Chamber-Rock zu spielen?"

Colin: "Natürlich! Ich bin offen für viele Dinge, vor allem, wenn die zwischenmenschliche Ebene stimmt."

ragazzi: "Im Bereich der klassischen Solo-Percussion öffnete Evelyn Glennie viele Türen - betrachtest Du sie eher als Vorbild oder als Konkurrentin?"

Colin: "Da gibt es überhaupt keine Rivalität, unter uns Schotten schon gar nicht! Ich bin ihr wirklich sehr dankbar für ihren Pioniergeist, mit dem sie den Percussionbereich von Nimbus des ``Primitiven`` befreit und salonfähig gemacht hat."

ragazzi: "Hast Du einen Lieblingstrommler?"

Colin: "Ich bin ein großer Fan des Safri-Duos, besonders ihre frühen Arbeiten finde ich großartig."

ragazzi: "Welches sind Deine Top-Ten-Percussion-Konzerte und warum?"

Colin: "Ich kann solche Percussionwerke nur schwer in eine Reihenfolge bringen, da sie sich oftmals grundlegend voneinander unterscheiden. Aber besonders einige der Stücke, die für mich komponiert wurden, haben es mir angetan. Michael Torkes Percussion Konzert stellt für mich ein äußerst gut gelungenes Stück Musik dar, das geradezu vor Energie sprüht, Joe Duddells zwei für mich geschriebene Stücke ``Snowblind`` und ``Ruby`` sind sehr ausdrucksstark, Steve Mackeys neue Komposition ``Time Release`` ist einfach fantastisch und gerade vor kurzem habe ich Michael Nymans Marimba Konzert, das mir ebenfalls außerordentlich gut gefällt, uraufgeführt. Des Weiteren mag ich MacMillan und Rouse, deren Werke ich oft spiele. ``Mirologia`` von George Tsontakis, das ich zu Beginn dieses Jahres aufnahm, ist ebenfalls ein recht ungewöhnliches und gleichzeitig höchst effektives Stück."

ragazzi: "Komponierst Du auch bzw. kannst Du Dir vorstellen Dir ein Konzert für Percussion und Orchester quasi auf den Leib zu schreiben?"

Colin: "Nicht im Moment, da ich gerade vollauf damit beschäftigt bin all die Noten für die ganzen neuen Stücke, die ich ständig spiele, zu lernen. Falls ich mal so etwas wie ein Sabbatjahr haben sollte, ist alles möglich."

ragazzi: "Hast Du in der letzten Zeit neue Kompositionen in Auftrag gegeben? Sind die Komponisten prinzipiell daran interessiert Percussionmusik zu schreiben?"

Colin: "Vor allem Dave Maric, ein fabelhafter britischer Komponist, hat wieder etliche neue Werke für mich fertiggestellt. An Maric trete ich immer wieder gerne mit meinen Kompositionswünschen heran, weil er diesen jedes Mal vollauf genügen konnte. Im Februar 2007 wird bei Sony/BMG eine CD mit seinen für mich geschriebenen Werken erscheinen."

ragazzi: "Gibt es eine realistische Chance, dass einige der vielen Kompositionen, die Du spielst, in naher Zukunft regulär auf Tonträger erscheinen werden?"

Colin: "Ich hoffe die Konzerte von Duddell und Mackey bald aufnehmen zu können. Meine Uraufführung des Konzertes von Higdon mit dem Orchester von Philadelphia wurde aufgezeichnet, um eventuell veröffentlicht zu werden."

ragazzi: "Auf welchen Tonträgern bist Du bereits zu hören?"

Colin: "Naxos veröffentlichte Aufnahmen von Torke und MacMillan; außerdem gibt es noch eine CD von EMI Classics aus der Debüt-Serie von mir."

ragazzi: "Hast Du ein Lieblings(percussion)instrument?"

Colin: "Eindeutig die Marimba - speziell mein neues MarimbaOne Modell, das einfach großartig klingt."

ragazzi: "Spielst Du zur Zeit Solokonzerte?"

Colin: "Ab und an, aber in mein Hauptprojekt in diesem Bereich ist der schwedische Trompeter Hakan Hardenberger involviert. Er ist einfach atemberaubend und ich bin stolz mit ihm arbeiten zu können - die Konzerte mit ihm sind sehr aufregend."

ragazzi: "Wie kamst Du zu Deiner Tätigkeit als Gastprofessor für Solo-Percussion an der Royal Academy of Music in London?"

Colin: "Neil Percy, der Chef der Percussion-Fakultät, bat mich vor einigen Jahren diese Aufgabe zu übernehmen, weil er die Ausrichtung des Marimba-Solo-Kurses ändern wollte. Ich teile mir den Posten mit Eric Sammut und denke, dadurch werden die Studenten mit zwei verschiedenen und hoffentlich komplementären Perspektiven konfrontiert, was für die Entwicklung am Instrument sehr nützlich sein kann."

ragazzi: "Welche Wünsche hast Du für die Zukunft?"

Colin: "Ich möchte weiterhin aufgeschlossenen Komponisten begegnen, die neue Stücke für mich schreiben, aber auch diese neuen Stücke soweit etablieren, dass sie dereinst zum Mainstream-Repertoire gehören werden. Das ist ungeheuer wichtig - den MacMillan habe ich bereits fast achtzigmal gespielt und ich würde gern einen ähnlichen Erfolg mit einigen meiner eigenen Premieren haben."

Frank Bender



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