Colin Currie "Striking A Balance" (EMI Classics "Debut" Series 1998)

Das schottische "Percussionwunder" Colin Currie debütierte 1998 im Alter von 21 Jahren beim renommierten Label EMI und war damit der erste Percussionist, dem diese Ehre zuteil wurde. Seine außergewöhnliche Begabung als Herr über ein Heer von Schlegeln zeigt sich in jedem der neun Stücke. Eröffnet wird der Reigen mit dem vom Japaner Toshi Ichiyanagi geschriebenen Duett "Paganini Personal" für Marimba und Klavier, bei dem es sich um Variationen über das Capriccio Nr.24 des namensgebenden Komponisten handelt. Currie und der Pianist Robin Michael treiben dieses Werk mittels Frage und Antwort-Sequenzen sowie kanonesken Verschachtelungen durch verschiedenste Stimmungen. In "Children´s Songs" von Chick Corea glänzt der junge Schotte, wiederum begleitet von Michael, am Vibraphon, indem er die rechte Hand der Klavierstimme doppelt; die äußerst gelungene Interpretation von vier der 20 Stücke aus dieser Reihe lässt vor dem geistigen Auge während des Spielens Bilder entstehen. Es folgt wiederum ein Duett, diesmal aber wird Colin Currie unterstützt von Sam Walton an einer zweiten Marimba. Dargeboten wird das vom dänischen Safri Duo umarrangierte Klavierstück "Alborada Del Gracioso" aus der Feder von Maurice Ravel; auch hier ist die Spielfreude regelrecht spürbar. Das auf ethnischen Vorbildern seiner Heimat basierende "Cenas Amerisdias" des Brasilianers Ney Rosauro ist zweigeteilt und stellt die erste solistische Visitenkarte Herrn Curries dar; während der erste Teil "hölzern" klingt - kommen hier neben der Marimba doch nur Holzinstrumente wie beispielsweise Holzblocks zum Einsatz -, regiert im zweiten das Metall in Form eines Vibraphons nebst diversen Beckenklängen. Alan Emslies "Hugh´s Chilled Red" zeigt den Protagonisten dieser CD abermals als Solisten - nun an der Snare Drum, die aber größtenteils schnarrsaitenlos gespielt wird. "Marimbasonic" von Markus Halt macht unmissverständlich klar, worum es in diesem Stück geht - (Solo-)Marimba satt! Das folgende Marimba-Duett von Colin und Sam kann im Original nur J. S. Bach in dieser Perfektion komponiert haben; das Prelude aus der Englischen Suite Nr.2 ertönt denn auch unverkennbar nach dem größten Genius der Musikgeschichte, doch die ungewohnte Klangfarbe verleiht ihm eine völlig neue Qualität. Erneut um ein Duett handelt es sich bei Steve Reichs "Nagoya Marimbas", allerdings löst die nach einigen Takten einsetzende Kanonstruktur, die bis zum Ende konsequent durchgehalten wird, scheinbar jegliche Form auf und somit bestätigt sich einmal mehr die These, dass es sich bei sogenanntem Chaos meist um Prinzipien höherer Ordnung handelt. Die abschließende "Jazz Suite" von Richard Michael stellt für mich zugleich den Höhepunkt der CD dar, das Zusammenspiel von Colin Currie und Robin Michael ist exquisit und sprüht geradezu vor Energie, die sich in ausgedehnten Improvisationsabschnitten entlädt. Resümierend drängt sich mir die Frage auf, warum es von diesem Ausnahmekönner an den Mallets nicht längst mehr Aufnahmen gibt.

Frank Bender



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