Cross "Wake Up Call" (Progress Records, 03.02.2012)

Wenn eine Definition für Neoprog gesucht wird - hier ist eine. Hansi Cross, Progress Records Labelbetreiber und Multiinstrumentalist, veröffentlicht seit 1988 Alben unter dem Bandnamen Cross. Zum Bandtrio Hansi Cross (g, voc, key, perc), Lollo Andersson (b) und Tomas Hjort (dr, perc) sammelten sich Jock Millgardh (voc), Mats Bender (key), Hannah Sundkvist (e-vi), Stefan Damicolas (harm voc), Sabina Cross (add-vi) und Lizette von Panajott (fem voc). 6 Songs sind das Resultat, einer davon als Bonus gelistet, die Texte und Kompositionen stammen aus der Feder von Hansi Cross, hier und da haben seine Bandmembers mitgeschrieben.
"Wake Up Call" beginnt, als stände eine teutonische Band dahinter, die 1978 noch einmal alten Symphonic Rock zum Leuchten bringen will. Die Sounds und Arrangements sind modern, die Band poltert jedoch gewaltig, so wie einige deutsche Bands im Kraut- und Progressive Rock. Die Songs stampfen und grooven, sind auf komplexe Rhythmusmuster aufgebaut. Indes ist nicht extravagante Komplexität das Thema, sondern epische Symphonie. Alles wirkt erstaunlich kurzweilig, es gibt kaum Hänger, die Songs rasen durch ihre 1 bis 17 Minuten, dass das bombastische Gedröhn ordentlich Spaß macht. Die Extraportion Bombast gibt es mit dem 17:28 Minuten langen "Waking Up", wo zu den Keyboardbergen und Gitarrenwänden noch ein weiterer Stapel Keyboards drauf getan wird. Diverse Ups and Downs bewegen die Energiemengen des Stückes hinab in lyrische Stille, hinauf zu pathetischem Overwork. Die Gesangslinien sind nicht besonders berauschend, passen sich gut ins Geschehen ein, ohne durch Raffinesse zu verblüffen. In langen Instrumentalparts arbeiten sich Gitarre und Keyboards gern unisono durchs wuchtige Unterholz. Richard Wagner könnte ein Fan der Band sein, lebte er heute und wäre er Symphonic Rock nicht abgeneigt.
Angenehm ist das 1:10 Minuten kurze Akustikgitarrenintermezzo "Rememberance" nach dem schwergewichtigen Opener "Human Resolution". In den langen Songs kehren immer wieder zarte Energieeinbrüche wieder, was notwendig ist, den Donnerhall bis zum Ende zu ertragen. Keine Frage, die Band hat es drauf und weiß mit kurzweiliger Idee wohl zu unterhalten - und dem Neo-Genre alle Ehre zu machen, auch was die himmelstürmenden Gitarrensoli betrifft, die auf dicken Keyboardteppichen jubilierende Energiemassen verbrennen, um die Fahrt aufrechtzuerhalten.
"Now" als Bonus am Ende fügt sich passabel ins Geschehen ein, der Bombastfaktor ist kaum geringer ausgeprägt, der Gesang ist ebenso sanft, die Keyboards ebenso starr und dröhnend, der Rhythmus gleichfalls differenziert und satt. Was zum Schluss bleibt ist Erschöpfung. Der Keyboardoverkill macht trotz der kurzweiligen Kompositionen doch zu schaffen, wenn die Berge an Tastensounds stetig präsent sind und den tonalen Raum so dick und undurchdringlich machen.
Auf 54:16 Minuten bringen die 6 Songs (inklusive dem 10:02 Minuten lange Bonustrack) es. Eine lange Zeit, die zum Glück licht lyrisch-zarte Inseln in sich trägt.

progressrec.com
VM



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