Contraluz "Novus orbis" (Cinerama Records 2010)

Progressive Rock funktioniert unterschiedlich auf nicht nur diesem Planeten. Schon die einzelnen Staaten auf dem Erdenrund haben ihre eigenen Charakterstärken: Holland und Polen mögen es sanft, Skandinavien düster und ausdrucksstark, Italien hochmelodisch und tiefdramatisch, Großbritannien klassisch, Nordamerika kann alles, nicht nur posen, Chile mag es dramatisch, hart, kratzig und wild, der Rest des südamerikanischen Erdteils sanft, lyrisch und schöngeistig. Contraluz kommen aus dem amerikanischen Süden, aus dem Staat Contraluz, mitten im Novus orbis. Stilistisch steckt die Band zwischen Melodic Rock, Holter-di-Polter-Prog der archaischen Sorte, Folkrock, Pop, strammem Rhythmusgedonner und überschäumender Keyboardempathie fest. Es gibt Gitarren, auch mal hart, viel (auch ‚tulliges') Geflöte, herkömmlich geprägten Gesang mal im Chor mal solistisch, einige nachdenkliche Stücke, überwiegend jedoch flott und selbstbewusst ins Abenteuer stürzende Songs, von einer losgelösten Band gespielt, die keine Scheu hat, zwischen kitschigem Folkpop und hartem Rocksound alle Register zu bedienen. Einige Partien sind so verblüffend schlecht, das nur zu staunen und hören bleibt: warum haben die das so gemacht?!? Und was haben sie sich dabei gedacht? Gewiss sind auch einige ganz nette und akzeptable Songs in den 71 Minuten zu finden, insgesamt aber überrascht die Band zumeist mit ihrem Selbstverständnis, mit ihrem Selbstbewusstsein, sich so zu präsentieren - und zudem einer liedhaften Fröhlichkeit und Natürlichkeit, die zwar nix progressiv, aber verblüffend lebensfroh und irgendwie beeindruckend ist. Dieser Erdteil ist definitiv verrückt. Aber es scheint viel Sonne, wo sollten die argentinischen Songs sonst so viel fröhliche Lieblichkeit her haben?

contraluzrock.com.ar
VM



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