Grant Collins "Primal Instinkt" (Eigenproduktion 1999)

Nicht Virgil Donati, sondern Grant Collins ist für mich der leuchtendste Stern am australischen Trommelfirmament, wenn auch ein direkter Vergleich deplaziert erscheint, da die beiden verschiedene Felder "beackern". Collins war bisher fast ausschließlich als Solist zugange und seine Debüt CD "Primal Instinkt" macht keine Ausnahme.
Sämtliche Eigenkompositionen spielte der Tausendsassa in einem Mehr von Klängen (Sein Drumset erreicht fast die Dimension von Kollege Bozzio.) live ein; es kamen keine Click-Tracks zum Einsatz, sämtliche Aufnahmen sind overdubfreie First Takes. Selbst wenn man um Collins akademischen Hintergrund weiß, eine unglaubliche Leistung! Doch keine Angst, dieser Solotrommler spielt nicht nur in der Liga "schneller-höher-weiter", sondern vor allem in der "Percussionmusik" - Klasse. Einer interessierten Öffentlichkeit außerhalb des fünften Kontinents noch nahezu unbekannt, wird er von renommierten Trommlern mit Lob, das ihm in der Tat gebührt, überschüttet. (Trommler sind keine Egomanen, Teil zwei.) So bezeichnete ihn Thomas Lang als den Terry Bozzio des 21. Jahrhunderts. Dem kann ich allerdings nur teilweise zustimmen. Vielmehr erinnert mich Collins vor allem wegen seiner durch phänomenale Interaktion von Armen und Beinen erzeugten hochkomplexen polyphonen Soundcluster an einen der weltweit unterbewertetsten Schlagzeuger, nämlich den ewigen "Geheimtipp" Joachim Fuchs-Charrier, der in den 1980er Jahren als Solist, nicht zuletzt auf Grund seiner Rocking-Motion-Technik der Polyrhythmik zu einem Quantensprung verhalf, aber nie ein nar(r)zistischer Showman war (und vermutlich auch keiner sein wollte).
Collins baut seine Kompositionen sehr systematisch auf und zeigt dadurch, dass selbst Trommler des strukturierten Denkens mächtig sind. Obwohl seine Stücke ausschließlich mittels Schlaginstrumenten eingespielt wurden, hatte er schon 1999 - Terry Bozzio hinsichtlich Orchestrierung der Extremitäten hinter sich lassend - ein feines Gespür für stimmige Arrangements, die keine Langweile aufkommen lassen, da er es wie ein alter Fuchs verstand, sein Spiel durch den Aufbau von Spannungsbögen interessant zu gestalten, indem er etwa ein Thema konsequent durchdeklinierte und einen bunten Strauß an Variationen zu Gehör brachte.
In "Afro For One", das in zwei Sätze unterteilt ist, geht es um ethnische Rhythmen, die auf das Drumset übertragen werden (Bembe und Mozambique). Die Basis bilden bei fast allen Stücken Ostinati. "Connecticut Half-Time" stellt hierbei eine Ausnahme dar. Dieses über 100 Jahre alte Stück wurde ursprünglich für eine Snare Drum geschrieben - Collins spielt es auf den Bassdrums. Das folgende Titelstück ist in vier Teile gegliedert, wobei Teils eins und Teil vier auf demselben Bassdrum-Ostinato basieren. Die Rondoform ist für ein Schlagzeugstück eine originelle Idee - augenzwinkernd (Das kann Collins bestimmt auch polyrhythmisch.) verweist der Trommler-Derwisch dabei auf seine musiktheoretischen Kenntnisse. Auch "Cheetah" ist nach diesem Schema komponiert und gefällt im Schlussteil durch äußerst abwechslungsreiche Beinarbeit. "Definitely Not A Ballad" ist ein Free Form Solo, das gegen Ende in eine Teilstruktur übergeht. Auch "Big Pants" wartet mit regem Pedalwechsel auf, wobei beide Beine und die linke Hand ein äußerst komplexes Ostinato bilden, über welchem die rechte Hand soliert. Der Rauskicker "The Three Camps" ist wiederum ein (heftiges) Rudimentalstück, das Collins auf die Füße übertragen hat.
Alle zehn zu Daumen mutierten Finger hoch!
PS: Grant Collins als Solist in einem von Graeme Koehne komponierten Perkussionskonzert, das gerne 80 Minuten dauern darf, ist mein musikalischer Weihnachtswunsch!

grantcollins.com
Frank Bender



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