Circle "Taantumus" "Prospekt" (ektro 2000)

  Der Opener "Kultaa" auf "Taantumus" spricht eine klare Sprache. Circle setzen auf minimalistische Effekte. Immer wiederkehrende, fast schon schmerzend lähmende Akkorde schneiden sich in die Gehörgänge ein. Die zweite Hälfte des Songs steht auf der Stelle, wie bei altem Vinyl, wenn die Nadel in der Rille hängt. Doch das Täuschungsmanöver ist perfekt. Weder hantiert hier eine lustlose Band, die nicht komponieren kann. Noch arbeiten die Musiker stupide, langweilig und simpel. Schon beim zweiten Hören offenbart sich das Schlagzeug mit jazzigen Strukturen, untermalt der Bass ein vielfältiges Melodiegefüge und löst sich die Gitarre aus dem scheinbar starren Rahmen, indem sie psychedelische Phrasen und crimsonesk schräge Abstraktismen entwirft. Überhaupt kann die Band mit King Crimson verglichen werden. Wie die heutigen KC in den ProjeKcts Space/Psychedelic/Jazz/Ambient-Rock mit vielen elektronischen Versatzstücken verschmelzen, so sind Circle zwar im Ausdruck anders. Doch bringen beide Bands die gleichen Eindrücke mit, wenn sie schwer fließende und hoch komplexe Musik in unerreichbaren Sphären aufhaschen und in ein verfügbares Konzept zwängen, dass unser Ohr wahrnehmen kann. Die Intention ist die gleiche. Wie Circle ihre Songs bauen, unterscheidet sich dagegen erheblich von KC. Auch von sonstigen Psychedelic Bands. Der klare Ton, der wundervoll erhabene Klang, die essentiell ausgefeilte Sprache des Arrangements und die emotional weit aufgespannte Energie der Kompositionen machen deutlich, dass Circle detailverliebt daran arbeiten, ihre Stücke ohne störende interpretatorische und ausdruckstechnische Fehler, Allgemeinheiten und Phrasen einzuspielen. So werden nicht unbedingt Psychedelic-Freaks die eigentlichen Fans der Band sein, sondern die Fraktion des Progressive Rock, die sich über altbekannte und ausgelutschte Stammplätze hinaustraut. "Prospekt" erscheint neben dem spannenden, aber gebremsten "Taantumus" viel härter. Die Instrumente sind mit der gleichen Akkuratesse bedient worden, lärmen jedoch viel mehr. Hi-hat und Snare arbeiten gewaltig, die Gitarre kratzt und der Bass reißt die Melodien eher, als dass er sie zupft. Doch auch hier gibt es die nötigen Ruhepunkte, die schon mal ambiente Strukturen ahnen lassen, entspannt und zart dahinfliessend. Seit 1994 haben Circle bereits 10 Alben eingespielt, einige davon als 2LP. Von Arbeitsscheu keine Spur. Diese beiden Alben sind 2000 auf dem Independentlabel Ektro veröffentlicht worden, das sich experimenteller Musik angenommen hat. Große Empfehlung für eine zu Unrecht unbekannte Band.

VM

 



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