Ragazzi - website für erregende Musik



 
 
 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 

 


 


 


 


 


 


 


 


 

Ciccada "The Finest of Miracles" (Fading Records 2015)


Seit 10 Jahren gibt es die griechische Folk-Prog-Band nun schon. Evangelia Kozoni (voc), Nicolas Nikolopoulos (fl, ts, rec, org, mel, synth, p, Glockenspiel), Yorgos Mouhos (g, back-voc) und Yiannis Iliakis (dr, mar, assorted perc) samt Gästen an Violine, Bass, Tasten, Cello und Klarinette (& Bassklarinette) sowie das Suono Brass Quintet (nicht besonders ins Ohr fallend im letzten Track) spielten die 10 Tracks, die Gitarrist Mouhos und Bläser/Pianist Nikolopoulos schrieben, zwischen Oktober 2012 und Juni 2014 in Athen ein. Mitunter dauert es eine Weile, bis ein fertig eingespieltes Album produziert, länger noch, bis es veröffentlicht wird. In diesem Fall ist die Spanne noch recht kurz, manche Alben, die etwa im Cuneiform-Katalog zu finden sind, brauchten weitaus mehr als 5 Jahre, bis die Hörermeute das Resultat offiziell erreichte.
Meines Erachtens sind Ciccada in ihrem Anspruch seit dem letzten Album gewachsen. Die Produktion wirkt zwar, wenn die Band instrumental virtuos und laut arbeitet, etwas überschäumend und lebhaft inszeniert und produziert, doch Klang- und Spielqualität sind ansprechend hoch. Lyrisch elegische Passagen folkloristischer Natur wechseln mit sich mit verrückt ausgefallenen, elektrischen Instrumentalparts ab, den Reigen in seiner üppigen Reichhaltigkeit interessant und ansprechend zu machen. In fünf Songs singt mit sicherer, glockenklarer, zwischen Alt und Sopran changierender Stimme Evangelia verträumt poetische Texte, in zwei Fällen in griechischer Sprache. Hauptohrenmerk dürfte dabei klar auf dem 4 Minuten kurzen "At The Death Of Winter" liegen, das als Referenz an Gentle Giant enorm an das Vorbild erinnert. Die Band hat detailliert hingehört.
Für mich persönlich ist der weibliche Gesang in der Rockmusik nicht förderlich, hier unterstützt er die folkloristische Note und wirkt den Rockparts entgegen. Stimme und Intonation sind indes gelungen, dass ich mit Evangelias Einsatz gut leben kann. Der weite Einsatz von Flöten, Geigen, Cello, Klarinette und akustischer Gitarre überwiegt die elektrischen Ansätze, so dass vor allem Freunde folkloristischer Rockmusik ihre Freude an "The Finest of Miracles" haben werden. Die Reminiszenz an historische Folk-Prog-Bands der Frühsiebziger (etwa Gryphon) sind großartig und sehr schön im Chor intoniert. Das zudem auf reizvollen Sopran-Tenor-Harmonien.
Der zweite Teil des Albums, Track 6 bis 10 (einzeln anwählbar), läuft unter dem etwa 18 Minuten langen "The Finest Of Miracles". Ist der Auftakt des instrumentalen ersten Parts "Birth Of The Lights" ungewöhnlich und großartig abstrakt wie "At The Death Of Winter" zuvor, was RIO-Fans erfreuen wird, so stellt sich schon im folgenden Part "Wandering" wieder der sanftmütig lyrische, komplex verschachtelte und mit immer wieder elektrischen, krass radikalen Parts geschmückte Folk-Prog ein. Das stete Widerspiel aus rasanten elektrischen und epischen akustischen Teilen ist sehr belebt. Beide Seiten, die folkloristische wie die RIO-Parts, haben ihre Qualität, meines Erachtens nehmen sie sich jedoch gegenseitig Energie. Nur die RIO-Parts betrachtet: baute die Band diese Seite weiter fokussiert aus, und die Band hat das drauf, vernachlässigte die Folk-Anteile und setzte auf elektrische, avantgardistische Kompositionen, würde, in dieser Qualität, die hungrige RIO-Meute weitaus interessierter sein. Das Ausgewogensein zwischen lyrisch akustischem Folk und elektrischem Avant Rock verbindet zwei Interessen, die wenig gemein haben. Folk-Fans werden hier erschreckt sein, wo RIO-Freaks erst zuzuhören beginnen. Anders herum in der akustischen Elegie: die RIO-Fans lassen alle Aufmerksamkeit fahren, während die Folk-Hörer Angst davor haben, demnächst wieder so einer Chaos-Passage begegnen zu müssen.
Aber: Ciccada wollen genau dies. Und haben Idee, beweisen Handwerk. "The Finest Of Miracles" kann mir hier mehr als dort gut gefallen. Die Qualität der Vorbilder aus dem folkloristischen wie dem RIO-Lager kann die Band indes nicht erreichen. Dennoch: schönes Album.

altrock.it
justforkicks.de
VM



Zurück