Centrozoon "never trust the way you are" (Resonancer Records 2004)

Ästhetik hat verschiedenen Ausdruck. Immer steckt ein ganz bestimmter Charakter darin. Musik findet Erstarrung und Öde in Ästhetik, und ebenso seine höchste Erfüllung. Ob nun graue, leere Klangschale oder berauschende, volle Lebendigkeit, ob Klarheit oder Schmutz, ob sanfte Harmonie oder kreischende Disharmonie.
Centrozoon verkörpern Ästhetik. Sie beziehen die Energie dazu aus ganz verschiedenen Stilen, und stets klingt ihre Musik virtuos, lebendig; und ebenso distanziert, kühl, fast schon reserviert und abweisend. Das findet im Booklet seine Fortsetzung, in der Bildsprache der Fotos der Musiker, im Design an sich, im Anspruch, schon der Idee. Dennoch aber scheint die Band nicht verspannt, nicht starr, fallen die Songs nicht wie Blei aus den Boxen, fliegen dahin, konkret geschaffen, kühl durchdacht - doch stets empfunden und voll pulsierend lebendigem Inhalt. Diese Gradwanderung ist beeindruckend, meine Hochachtung dem Produkt, und vor allem den Musikern gegenüber. Tim Bownes (voc, g, b), Markus Reuter (g, b, electr, loops) und Bernhard Wöstheinrich (synth, electr, perc) und ein paar weitere Mitarbeiter, so Pat Mastelotto, haben diesen Eisplaneten an Lusttönen geschaffen.
Der Inhalt hat Parallelität zu avantgardistischer Electro Avantgarde, zu den ProjeKcts von King Crimson, David Bowie und Dancefloor. Das spielt man vielleicht auf den ganz exquisiten Diskotheken. Ringsum Stahlbeton, punktuell Licht, schlanke Menschen. Nein, zu gruselig.
Ich schwanke zwischen Faszination und Ekel. Die Exaktheit der Musik stößt mich ab, der melodische Inhalt und sein grandioses Arrangement fesseln mich vollständig. Diese Art Musik kann es nur nach 50 Jahren Popmusik geben, nach vielem tonalen Schrott und exquisiten Auslebens aller rockmusikalischen Gefühle und Laute. Diese verzückte und kühl im hohen Turm sitzende, weltabgewandte und doch aus allem lebende Musik ist ein Rausch. Der Beat ist Dancefloor, die Stimme ist Leben, die Sounds spielen zwischen Abstraktion und Kuscheligkeit. Lärm, der aus Stille wächst. Musik, die morgens um halb Sechs spielt, wenn die grauen Straßen leer sind. Kalt/heiß

centrozoon.de
VM




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