Cathedral "The Bridge" (Musea 06/2008)

Dreißig runde Jahre ist es her, da spielte eine Band, die sich den Namen Cathedral gegeben hatte, fünf überwiegend lange Songs für eine LP ein, die ein Geheimtipp in der Progressive Rock Szene werden sollte und 1991 von Syn-Phonic Records auf CD wieder veröffentlicht wurde. 13 Jahre hatten zwischen Veröffentlichung der LP und dem CD-Reissue gelegen. Heute, weitere 17 Jahre später (!) hat sich die ursprüngliche Band, die längst nicht mehr aktiv war, reaktiviert und legt ein neues Album vor.
Lediglich Gitarrist David Doig ist neu dabei. Paul Seal (voc), Fred Callan (b), Mercury Caronia IV (dr) und Thomas Doncourt (keys) hatten damals mit Rudy Perrone (g) die schwer Yes-lastigen Songs eingespielt. Die Jahre haben der alten Musik eine ehrwürdige Patina gegeben. Das Album ist ein Klassiker. Es wird höchste Zeit, eine neue CD-Auflage mit Bandstory und remastertem Klang aufzulegen. Möglicher Weise ist dies bei Musea geplant. Das französische Prog-Label holte die alte/neue Band an Bord und veröffentlicht "The Bridge".
Die "Monsterhead Suite" eröffnet satte 13 Minuten lang das neue Album. Im Booklet sind die Texte nachzulesen, mit weiteren Details hält die Band sich in der Papierbeilage zur CD zurück. Der Yes-Einfluss ist fast komplett verloren gegangen. Gleich zu Beginn der "Monsterhead Suite" gibt es einen Akustikgitarren-Part, der Steve Howe nacheifert, mit dem später folgenden instrumentalen "Kithara Interludium" folgt ein weiteres, ausgedehnteres Gitarrenstück, das einige Steve Howe Merkmale enthält. Lustiger Weise ist just der Gitarrist das neue Bandmitglied, nur dort ist die alte Chemie zu hören.
Die 7, teilweise wieder überlangen Songs sind meines Erachtens ein typisches Alterswerk von Musikern, die ihre Jugend ein zweites Mal auspacken und Rock'n'Roll spielen wollen. Über die Jahre ist ihnen die Handschrift abhanden gekommen, der neue "Stil" hat viel und irgendwie auch nichts. Die Songs sind ganz nett und, ja, ansprechend, neben "Kithara Interludium" vor allem "Angular World". Die weiteren Songs fallen durch seltsam drucklose Arrangements auf, sind auf Krampf progressiv, zudem schlecht und lau komponiert. Es scheint eher, eine frühe NeoProg Truppe sei wieder auferstanden, die sich im Jahrzehnt geirrt hat und seichten No Wave ins neoprogressive Altgewand packt.
Die Band will komplexer, als es die Songs hergeben. Handwerklich ist die Einspielung OK, die melodischen Linien sind jedoch wenig dynamisch, flau und matt. Die Songs sind erschreckend unbedeutend. Manches Motiv hat eher psychedelisches als progressives Format, der technisch kalte Rhythmus klingt motorisch unruhig.
Jeder darf sich gern seine eigene Meinung bilden. Ich persönlich halte die neue Musik für gekünstelt statt kunstvoll, emotional flach statt lebhaft und stürmisch, verkrampft statt vital und komplex.
Es liegt mir fern, die Band zu beleidigen oder sie belehren zu wollen. Mir scheint jedoch, dass die Jungs mehr gewollt als gekonnt haben. Und weil ich die alte Platte liebe, geht mir das jetzige Versagen an die Nieren.

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VM



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