Canvas Solaris "Irridiance" (The Laser's Edge Records - Sensory, VÖ: 16.07.2010)

Technische Instrumentalbands wie Canvas Solaris, die ihre stilistische Prägung gefunden haben und daraus Komposition um Komposition, Album um Album schöpfen, und ihren potentiellen Fans stets relativ ähnliche Songmuster präsentieren, laufen Gefahr, trotz höchster technischer Faszination und komplexer Songaufbauten mit raffinierten Brüchen und Schwindel erregenden melodisch-harmonischen Strukturen wenig greifbar zu sein. Unterscheiden sich die Songs der Band voneinander? Gewiss. Haben die Alben unterschiedliche Prägungen? Sind Entwicklungen, Veränderungen erkennbar? Gibt es Neues zu hören, Überraschungen, nie zuvor geahnte Prog-Komplexe im brachialer Metalheftigkeit und erregender Geschwindigkeit, wo Rockhärte, (Dis-)Harmonien und technische Solofinessen so ineinander aufgehen, dass nichts bleibt, als dem Sound verzückt und verschworen zu lauschen?
Stete Neuerfindung ist gewiss ein Ding der Unmöglichkeit. So es auch in der Rockhistorie einige Paradebeispiele gegeben hat und fürderhin gibt, die dafür stehen, etwa Pierre Vervloesem oder Premiata Forneria Marconi, die sich dem eigenen Vorsatz unterwarfen und unterwerfen, niemals das gleiche Album ein zweites Mal einzuspielen und nur der Berechtigung und Verpflichtung zur Veränderung folgen. Beide Beispiele sind Klassiker ihrer Sparte, und es bleibt offen, wie es dort weiter gehen wird.
Und wenn Canvas Solaris auch der Fels in der technischen Instrumental Progressive Metal Brandung ist, so wird ihr Œuvre die potentielle Suchtmeute spalten, in diejenigen, die nicht genug vom immer gleichen und wieder neuen Technikmetal bekommen können und eben diejenigen, deren Hörsinn erschlafft ist, deren Aufmerksamkeit wegsackt und die ihre Neugierde darum auf neue Ziele ausrichten. Bands verbrauchen sich, keine Frage. Stile verbrauchen sich. Progressive Rock verbraucht sich. Um die Meute am Hungern zu halten, braucht sie stetig Futter, das ist nicht anders als bei McDoof und der Blödzeitung, auf seinem Niveau.
Und doch, genau zugehört, dem Sound in die Gene gekrochen, sind deutliche Entwicklungen auszumachen im Lande Canvas Solaris. Wer den Mut und die Lust hat, der höre auf den Gitarrenanschlag. Da hat sich was getan. Progmetal hat ein frisches, neues Baby, Djent Metal genannt, das sich in ganz bestimmter spezieller Art des gedämpften Gitarren-Anschlags charakterisiert. (Kein Quatsch!)
Die Außenansicht einer Band ist natürlich anders als die Innenansicht. Wenn Musiker einer Band meinen, steten Entwicklungen zu folgen, bedeutet dies gewiss nicht, dass ein jeder Hörer das nachvollziehen kann. Das hängt allein von der Entfernung und der Aufmerksamkeit ab. Hardcore-Fans der Truppe merken jede Veränderung und wissen um jedes Soli in jedem Song, kennen alle Breaks und Mini-Epen. Wer Canvas Solaris gern mal zuhört, aber einen vollen Plattenschrank mit verschiedenen Alben diverser Bands und musikalischer Stile hat, wird schon weniger genau zuhören (nur mal die Fans betrachtet, die der Band zugeneigt sind).
Radikale Komplexe und heftigen Rock präsentieren Canvas Solaris gewohnt erstklassig und ausgewogen, ihre Songs sind - wie schon beim Vorgänger "The Atomized Dream" - von harmonischen Einschüben durchzogen, zarten Strukturen in schier schwebender, leichthändig inspirierter Schwerelosigkeit.
Da ist kein Ende.

myspace.com/canvassolaris
lasercd.com

VM




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