Canturbe "El Vuelo De Los Olvidados" (Viajero Inmovil Records 2004)

"El Vuelo De Los Olvidados" ist ein extrem melodisches, lyrisches Album, das nur wenige Vergleiche zu Rockmusik zulässt. Die Lyrik erschlägt fast, die Melancholie muss Seichtheit genannt werden. Über allem schwebt ein süßlicher Ausdruck, und doch haben Canturbe interessante Songs geschaffen. 1980, als die Songs eingespielt wurden, hatte Argentinien noch unter der Militärdiktatur zu leiden, es war nicht leicht, Rockmusik zu spielen. Canturbe verstanden sich als Progressive Rock Band, wenn ihr Beitrag dazu auch sehr lyrisch und seicht ausfiel, sehr viel Folkloreeinflüsse sich breit machten, so waren sie und ist ihr Album doch Teil davon. Das differenzierte instrumentale Geschehen in den Songs hat typisch progressive Aussage, wenn auch süßlich dargebracht. Als Ausgleich dafür gibt es schon mal ein härteres, langes Gitarrensolo. Der instrumentale Aufbau der Songs ist anspruchsvoll, Bass, Gitarre und Schlagzeug spielen komplizierte Passagen. 1980 war es verboten, englisch zu singen, Argentinien stand kurz vor der kriegerischen Auseinandersetzung mit England (der für Argentinien verlorene Falkland-Krieg mit anschließendem Sturz der Militärregierung). Da war es gewiss nicht hilfreich, eine Progressive Rock LP einzuspielen. Im 8-minütigen "En Virtud del Obcecado" gelingt dem Quartett Canturbe alles, bis auf den Gesang, der in sämtlichen Stücken süßlich und überaus lyrisch ist. Die Männerstimme singt zudem extrem hoch, was die gesamte Stimmung "verseicht" und im Grunde verdirbt. Die sehr folkloristisch betonten Songs trafen den Nerv ihrer Fans, was nun die CD-Veröffentlichung ermöglichte. Wes Geistes Kind die Musiker sind, kann man im illustrationsreichen Booklet sehr gut nachvollziehen. Die Gegner der Diktatur drückten sich musikalisch aus, das hallt bis heute nach.

VM



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