Cannabis India "SWF Sessions 1973" (SWF 1973/Malesch Records/Long Hair 2009)

Der Name der Band führt auf die falsche Fährte. Cannabis India spielten keinen Psychedelic Rock, keine fernöstlich inspirierten Klänge, keinen drogenschwangeren Sound, sondern klassisch inspirierten, progressiven Orgelrock im Stile von The Nice und Emerson, Lake & Palmer. 1971 in Wuppertal aus den Scherben der Coverband The Futures von Oliver Petry (org), Dirk Fleck (b) und Rüdiger Braune (dr) gegründet, ging die Band am 11. Mai 1973 ins Badener SWF-Studio, vier Songs einzuspielen. Drei Songs hatte der damals gerade 18-jährige Oliver Petry geschrieben, das vierte Stück ist eine Adaption Beethovens Neunter, eine nicht nur bei Bands dieser Spielart beliebte Komposition, die in der klassischen und progressiven Rockmusik diverse Inkarnationen erfuhr, nicht immer zu ihrem Besten.
Während Dirk Fleck und Rüdiger Braune den enorm druckvollen, differenzierten und dynamisch-harten Rhythmus flechten, tobt sich Tastenvirtuose Oliver Petry nach Herzenslust ausgiebig darauf aus. Zwar spielte Petry (der Nachname ist entsetzlich gewöhnungsbedürftig wegen seines musikalisch depperten Namensvetters!) nur wenige Freakigkeiten, wie Keith Emerson sie vor allem live ausgiebig zelebrierte, keine Orgelvergewaltigungen, jedoch genügend wilde von harmonisch bis atonal reichende Improvisationen, die die Songs bis über 11 Minuten treiben. Zwei Tracks sind kürzer, ohne weniger Inhalt zu haben oder leiser zu sein.
Manche brachiale Improvisation läuft aus ihrer Wildheit in elegische Melancholie aus und dämmert dann düster dahin, was als Erholungsphase sehr gut in die laute, aufgeregte Stimmung passt und die Spieldynamik unterstreicht, bis das harte, hektische Erstmotiv sich wieder durchbeißt. Das Trio macht seine Sache gut, die Songs sind spannend - für Fans dieser Spielart. Es kommt nicht der Eindruck auf, eine drittklassige Band hätte ihr glühendes Anliegen verpatzt, ganz im Gegenteil stellt sich ganz unwillkürlich die Frage, warum Cannabis India damit nicht auf LP erfolgreich wurden. Live erfuhr die Band, wie im Booklet nachzulesen ist, die Erfüllung und den Bekanntheitsgrad, die ihrer Begabung, Inspiration und ihrem handwerklich-technischen Vermögen entsprechen. Doch zu einer Platte hat es das Trio nie gebracht.
Nach der Auflösung Cannabis Indias gründete Oliver Petry die Band Universe, die nur zwei Songs aufnahm und kaum über den Anfängerstatus hinauskam. Beide, feiner strukturierte Universe-Stücke sind als Bonus angehängt, lassen im Klang nach, ohne schlecht zu klingen. Die Songs sind druckvoller, die Arrangements komplexer und komprimierter als bei der Vorgängerband, die Gitarre gibt der Orgel ein kraftvolles Gegengewicht, ohne sich gegen den vitalen Virtuosen Petry zuletzt wirklich durchsetzen zu können. Beide Songs sind gut geschrieben und haben ihre Überraschungen und energischen Themenwechsel. Schade, dass nicht mehr daraus wurde. Die Band hätte sich, wie ebenfalls Cannabis India, erfolgreich entwickeln können. Immerhin sind diese beiden Songs erhalten, und die können sich hören lassen.
Tolle CD eines schließlich erfolglosen Projektes, das bei längerer Lebensdauer gewiss für szeneweite Überraschungen auf LP gesorgt hätte. Ein Trost nun, dass die 6 Songs (44 Minuten) in gutem Klang auf CD erhältlich sind.
Wie bei den anderen Veröffentlichungen des Labels Malesch Records/Long Hair ist im Booklet die Geschichte zur Band und ihrer Aufnahmen in englischer und deutscher Sprache nacherzählt, sind Informationen zu Band und CD zu finden, jedoch nicht ein einziges Photo.

longhairmusic.de
VM



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