Bushman's Revenge "Thou Shalt Boogie!" (rune grammofon, 20.01.2014)


Even Helte Hermansen (g), Rune Nergaard (b), Gard Nilssen (dr, vib) und David Wallumrød (hammond, clavinet, Prophet 5) schlagen mit ihrem 6. Album seit "You Lost Me At Hello" (2009) schwerwiegend zu. Der Norwegische Rockwildwuchs bekommt mit "Thou Shalt Boogie!" einen neuen dampfenden Urwald, in dem zahlloses Getier sein Unwesen treibt, geheimnisvolle Gerüche und Geräusche aus unentdeckbaren Quellen sprießen und organische Biologie ihren fettesten Gesundheitspalast vor die Ohren stellt: 5 Songs sind auf dem Silberling, zwei lange Rillen darunter, die ganz klar das Hauptohrenmerk sind. Bushman's Revenge stehen in skandinavischer Tradition: düstere epische Klänge aus Hardrock, Psychedelic, Blues, Jazz und Progressive Rock, enorm druckvoll, lasziv lässig, schwermütig, FETT, magisch und INSPIRIERT.
Passender Vergleich: würden Deep Purple jazztrunkenen, progressiven Jam-Hardrock entwickelt haben, wären sie diesem Projekt vergleichbar. Die instrumentale Ästhetik hat da ihre Parallelen. Das fette Getrommel, die Gitarrenexkursionen, das Orgelgegrummel, der donnernde Bass. Weil die Buschmänner keinen Bock auf Gesänge haben und ihre Songs lieber selbst singen lassen, ohne sie in liedhaftes Format zu pressen, ist alles, was hier passiert, uneingeschränkt freie Musik. Gefallsucht kennen die Norweger nicht, dem Urwald ist egal, wie er aussieht. Hauptsache, er wird nicht beschnitten.
Und hier ist kein Song beschnitten. Im knapp 4 Minuten langen Opener "I am an Astronaut" sitzt ein sakraler Touch, vielleicht als mystisches Instrument, den Weltraum zu begreifen. Sobald die Band mit speedmetallischer Nervosität einsetzt und der Bluesjazzpsychedelic-Rausch seine erste Dröhnung ausfährt, wird konzentriertes Zuhören schwer. Diese Musik will in den Bann ziehen, betäuben, verwirren, einfangen, auffressen.
17:15 Minuten lang donnert und dämmert "Baklengs Inn I Fuglekassa" im Anschluss durch melancholische Untiefen, schneidendscharfen Boogie-Wahnsinn, lässig-schnoddrigen Hardrock (mit geilem Edeka-Bass), rasante Hitze und düsterschwärzeste Sumpfabgründe. Zivilisiert? Nein, ganz und gar technische Emotion (das geht nicht?!?), sekundengenaue Verschrobenheit, modderdreckiges, schwarzes Pantherfell, gestürzte Urwaldriesen wie nach urbanem Sturm und mittendrin zarte Pflänzchen. Dabei und währenddessen passiert ungemein viel in den diversen Parts des Songs, mal dröhnt die Sumpfpampe nur ausdauernd über Minuten, dann versinkt die Energie, schließlich braust die Chose verrückt auf: es ist das Klanggemälde in seiner Gänze, dem Sound der Gitarre, dem Schwung der Ereignisse, der Schwere des Themas, was hier der große, ganz große Reiz ist.
"Waltz Me Baby, Waltz Me All Night Long" im Anschluss dämmert wund in seine knappen 6 Minuten, fast so intensiv wie einst Landberk, schlichter zwar, aber nicht weniger intensiv. Und gleich noch einmal: 14:25 Minuten "Kugeln und Kraut". GITARREN! Gut, nur eine. Aber wie!
Frickeljazz-Psychedelic-Prog-Hardrock flottet enorm eindrucksvoll dahin. Wieder passiert technisch kaum die Bohne viel was. Aber wie das Hardrock-Urgewächs aus den Norwegenbengels düsterfett rockt, macht schwer Eindruck. Der Sound stimmt einfach - wie hier 1973 heraufbeschworen wird, in Klang, Ästhetik, Stil und Handschrift, ist einzigartig. Wenn die abgefahrenen 70er Bands live Vierminutensongs auf 35 Minuten Länge spielten, waren sie etwa da, wo diese Jungs heute sind. Dabei gibt es kaum Band-Vergleiche. Der zu Deep Purple hinkt, zu Humble Pie ebenso, mehr zu allen anderen. Abgeschlafft schöne Norwegencountryzweiminuten beenden die wunderschöne Musiklandschaft auf "Thou Shalt Boogie!". Und wer nicht zuhört, der verpasst 43:30 Minuten Nordsspaßrock.

runegrammofon.com
VM




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