Birds and Building "Bantam to Behemoth" (Emkog Records 2008)

Es gibt Tage, die einfach besser sind als andere. Morgens früh aufstehen? Kein Thema! Angestrengte Gesichter ertragen, den wunderbaren Arbeitstag lang? Mehr davon! Der stets so ordentliche Chef lässt das Hemd hinten aus der Hose gucken. Einer dieser Minihunde, die so aussehen, als würden sie ohne Unterlass frieren, das größte an ihnen sind die Augen, sieht dich an, als wollte er dir die Weltformel erläutern, es hapert nur an der Sprache. 15 wunderschöne auszubildende Maiden vom großen Blumenladen verschenken lachend langstielige Rosen und du bekommst zwei, eine bärtige alte Dame sitzt klein und still neben grölenden Punks auf einer Parkbank und raucht seelenruhig eine Zigarre. Ein Pförtner singt italienische Arien. OK, gut, das letzte hab ich mir jetzt ausgedacht. Das ist erfunden.
Erfüllt von diesen schönen Bildern und viel mehr komischen Entdeckungen, die zu klein sind, um sie zu erzählen, stapfst du selig nach Hause. Hat die Schwarzhaarige mit den großen Augen dir zugezwinkert? Es regnet und die Sonne scheint?
Im Haus ist es hell. Überall Stimmen und jugendliche Menschen, die in der Küche was schwarzbrennen und es alsbald verschlingen - und dann liegt da ein kleines einsames Päckchen: für dich.
Als du einen Raum gefunden hast, der ganz allein nur für dich da ist, nebelschwadengleiche, fette Sonnenstrahlen leuchten im Zimmer auf, packst du das Päckchen aus, findest eine CD darin, darauf steht: Birds and Building: Bantam to Behemoth. Du blätterst artig das Booklet durch, findest kaum Informationen und doch kommt dir das Label, die Aufmachung, die Namen der Musiker, alles halt, seltsam bekannt vor. Du legst die CD in das Abspielgerät (kann man sagen zu, oder?!?), fläzt dich in den Chefsessel und drehst mit der Fernbedienung laut, weil von außen schwerer Rock gegen die Wände trommelt.
Es geht los und du wirst WEGGEBLASEN! Hast du ‚Populärmusik aus Vittula' gesehen? Musst du tun! Die Szene, in der die beiden Jungs das erste Mal die Beatles-Platte abspielen, der Raum sich zu drehen beginnt, die physikalischen Gesetze zu existieren aufhören und alles nur noch ungemein fetziger Rock'n'Roll ist. So geht es dir in deinem Chefsessel. Und die Band, die lacht sich ins Fäustchen!
Birds and Buildings ist die Trillingsschwester von Deluge Grander und Cerebus Effect. Es gibt gehörig deftigen, schrägen, brachialen Progressive Rock auf die Ohren! Allein der erste Song "Birds Flying Into Buildings" (lustiger Titel, ist es nicht? Ob die CIA das auch so verschmitzt witzig findet?), diese irrsinnige Mischung aus Symphonic Rock, technischem Hardrock und gar brachialem Symphonic Jazz! Es ist einfach nur, mit Verlaub, geil! Saugeil!
Dan Britton ist der Fuchs, der die drei Schwesterbands im Griff hat. Der Keyboarder, Gitarrist, Komponist, Arrangeur, Manager und Sänger hat eine lose Truppe um sich gesammelt. Malcolm McDuffie (dr), Brian Falkowski (sax, fl, cl) und (erneut) Brett d'Anon (b, g) sind von der Partie, in einem Track auch die singende Dame Megan Wheatley, die doch lieber hätte Motorrad basteln, Bier trinken oder Fußball gucken sollen. Die Band war in keinem Studio, alle wohnen in Washington, DC so ums Eck, haben sich die Aufnahmen zugeschickt, der nächste hat seins dazugetan. So sind die Aufnahmen zustande gekommen. Lediglich einige Schlagzeugspuren wurden später zugeschippt.
Partiell ist das den Songs auch anzuhören. Immer, wenn die Band von ihren Komplexfrickelorgien die Finger lässt und sich ins schöngeistige Symphonic Fach wirft, und das tut sie des Öfteren und eigentlich mit Bravour, macht sich eine leichte Abdämpfung des Klanges bemerkbar. Zudem verliert die Musik an Dynamik und Vitalität, das Lechzen nach den abstrakten Komplexausbrüchen gärt in den Mundwinkeln. Und eine leichte Unsauberkeit in der Gruppenarbeit verwischt die Spannung etwas.
Wer also meckern will, darf es hier gern tun. Wer sich deswegen davon abhalten lässt, sich die grandiose Musik zuzulegen, nun, der muss halt mit angestrengtem Gesicht herumlaufen. Und der entdeckt die Welt nicht.
9 Songs sind auf diesem Progressive Rock Highlight, 5 davon Longtracks, wenn ich die drei 9-Minüter ausnahmsweise mal dazu zählen darf.
Exzellente Schlagzeugarbeit, technische Frickelpassagen ohne Ende, lange, ausgefeilte Partien, in denen der Saxophonist wie ein Tiger wütet - ohne die Chose in Freejazz abgleiten zu lassen. Klingt jazzig, gewiss, ist aber Symphonic Prog Jazz, nein Jazz Symphonic Prog. Genau!
Es ist nicht nur schön, die Boddenküste bewohnen zu dürfen und bei stürmischem Regen an einsamem Badestrand durch den schweren Sand zu stiefeln. Auch schön, dabei diese schweren, wuchtigen, deftigen und zuallererst wohl alten Genesis-ähnlichen Klänge in die Gehörgänge schwappen zu lassen.
Aber - es kommt besser: Birds and Buildings haben die Aufnahmen für "Bantam to Behemoth" von Januar bis Dezember 2007, ähm, aufgenommen. Und die Ideen sind in der Zwischenzeit nachgewachsen. So nehmen sie gerade, unter Addierung eines Geigers, das Nachfolgewerk auf, welches zum Ende dieses schicken Jahres veröffentlicht werden soll.
Das nicht allein - auch Deluge Grander arbeiten an einer neuen Platte, die just auch noch 2008 das Licht der Welt erblicken soll. Leute, was für ein Leben! Für so'n paar Happen Mäuse so viel vitale Kunst für die verwöhnten Wohnzimmersesselohren! Wäre es nicht schon erfunden, das Leben, man hätte das jetzt glatt nachholen müssen.

cerebuseffect.com
myspace.com/birdsandbuildings
delugegrander.com
VM



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