Adrian Belew "Side One" (Sanctuary Records 2005)

"Side One" trifft es - die CD ist nur 33 Minuten lang! Aber 33 sehr feine, extrem gute Minuten! Adrian Belew könnte man, seinen Backkatalog betrachtend, oder an die Bühnenpräsenz denkend, erstens als Beatles-Folkie, zweitens als Buchhalter verstehen. Da wird der Mann wohl nur grinsen. Was auf dieser CD abgeht, ist King Crimson im Reinformat. Sicher sind da leise, sphärisch-ätherische Sachen zu hören, Space Rock, wie ihn King Crimson heute schon mal endlos gibt. Aber vor allem kracht es gewaltig auf "Side One"!
Das geht mit den aggressiven Gitarren des Openers "Ampersand" los und setzt sich im Heavy Funk "Writing on the wall" fort (wo Belews Gitarre wie eine Bohrmaschine durch meterdicken Stahl fetzt). "Matchless Man" setzt kurz aus, fährt entspannt durch ein intergalaktisches Wurzelwerk voll Zwergengeschichten und ist in seiner beatlesken Schüchternheit einfach grandios.
Das instrumentale "Madness" im Anschluss lässt die Band wie ein riesiges Mahlwerk arbeiten. Unwillkürlich wird man in den Bann dieser schweren und düsteren Töne gezogen, die, Überraschung, für ein wenig Tennisballknall mal aussetzen. Ansonsten werden hier alle Hürden genommen, das Trio (Bassist Les Claypool von Primus und Schlagzeuger Danny Carey von Tool sind die ausgezeichnete Unterstützung) nimmt keine Rücksicht auf Verluste und mäht alles nieder. Metal ist hart? Dann hört nur dieses Stück, das ist schwerer, böser, härter, wirklicher - und erbarmungsloser!
Danach klingt das minimalistische, flotte "Walk around the world" leicht und beschwingt. "Beat Box Guitar" beginnt auch erst bedächtig, um aber mit unnachgiebiger Natur wie eine Dampframme einzuschlagen. Hier gibt es knalligen Funk und es groovt! Da fliegen Nägel wie Fetzen durch die Gegend und trotz aller rhythmischen Beschwingtheit bleibt der Grundtenor des Stückes dramatisch und düster.
Das kurze "Under the RadaR" ist eine Spacerock-Wolke, auf der ein Zeichentrick-Belew seinen Text etwas leidend (wie stets), nüchtern und kühl einbringt. Danach stampfen nur noch die "Elephants". Wieder einmal ein genial starkes Stück, mit abgehackter Rhythmusgitarre und gefährlich "melodischer" Gitarre. Alle Achtung, da hat einer viele tolle Ideen gehabt!
"Pause" heißt das letzte Stück, das still und noisig verrinnt. Etwas mehr gerade als eine Minute lang, wieder mit dieser dramatischen Düsternis, viel versprechend - und viel zu früh zu Ende. Wie das ganze Werk. Bleibt nur, wieder und wieder auf Play zu gehen, um dieser Verzauberung erneut zu erliegen.
Adrian Belew hat eine Trilogie geplant. Erst wollte er zwei Platten veröffentlichen, doch dann hat sich bei beiden Projekten, die bereits fertig eingespielt sind, viel mehr Material ergeben, als geplant war, so dass es eine dritte CD geben wird. "Side Two" wird in DJ-Form klingen, mit Loops und Synthesizer. "Side Three" mixt die beiden Stile, weil in beiden Projekten mehr Material eingespielt wurde, als vorgesehen war (warum diese CD dann aber nicht länger wurde, bleibt mir ein Rätsel!). Doch erst einmal geht Belew mit "Side One" auf Tour, der alte Zappa- und KC-Gitarrist wird auch King Crimson, The Bears und Solomaterial spielen. Mal sehen, was für eine Besetzung er bevorzugt. Kann nur gut sein.

adrianbelew.net
VM



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