Beardfish "the sane day" (Beard And Breakfast Productions 2005)

Progressive Rock. Schweden. Junge Band, alte Einflüsse. Vor allem: jede Menge Einflüsse! Aber eklektisch ist "the sane day", die 2CD der jungen Band, dennoch nicht. Alle verschiedenen Sounds, Klänge, Stile und Ideen gehen wundersam ineinander auf. Nichts an den 18 Tracks ist zu herkömmlich oder typisch, Jazz, Folk und Rock werfen Beardfish in eigener Inspirationsmelange in ihre gewitzten und klugen Eigenkompositionen, die viel Herz und Seele und erheblichen technischen Sachverstand beweisen. Diverse Sounds, gerade was so am Keyboardarsenal abgeht, kommt aus dem Herzen der guten alten Rockmusik, da könnte ein Orgelsolo von Deep Purple oder Uriah Heep stammen, im nächsten Moment scheinen die Beatles Pate gestanden zu haben - und bald darauf CCR, Gentle Giant, Canterbury allgemein und speziell und Frank Zappa - alles in einem Song, einer Idee, einer Note. Beat, Rock, Pop, Jazz, auch schon mal ein Schub Punkrock - da ist alles drin!
Doch keine Befürchtung, Beardfish haben ein ausgewähltes Gespür dafür, ihre gewünschten Einflüsse in eigenen Ideen aufgehen zu lassen. Keyboarder Rikard Sjöblom, Gitarrist David Zackrisson, Bassmann Robert Hansen und Schlagzeuger Magnus Östgren schlagen gleich mit ihrem Debüt voll zu. In allen bisweilen schrägen, eigenwilligen Arrangements ist stets ein Hauch schwedischer Folklore zu spüren, die kompliziert, und melodisch wie harmonisch unvergleichlich ist. Das haben die Wikinger einst von ihren Raubzügen mitgebracht - Klagelieder und Kriegsgeheul. Lieder, so verschnörkelt wie die Landschaft, so frei und eigen wie die einsame Weite der Wälder und die Schönheit der Inseln und Ufer.
Gleich im ersten Song kommen die Jungs in den Lyrics zur Sache. Das ist mal ein Liebeslied! Girl und Boy singen sich ihre Herzensangelegenheiten zu (lustiger Weise alles von Rikard Sjöblom getan), bis der Knabe meint, Zappa klinge gut und der Herrenchor im Hintergrund jubiliert "Apostrophe" und "Grand Wazoo". Da wäre ich gern bei gewesen!
Musikalisch lässt sich der Einfluss des Herrn Zappa immer wieder hören, neben "A Love Story" viel stärker in "The Gooberville Ballroom Dancer" und verstreut in diversen Tracks. Witzig finde ich die teilweise erstaunlich dicke, symphonische 70s-Keyboardsuppe, die immer wieder einmal zu hören ist. Beardfish haben gewiss den Second Hand Plattenladen ihrer Wahl ausgeraubt und sich durch die 70er Jahre gehört und dabei die extravaganten Alben/Bands als Inspiration genommen. Witziger Weise ist in den Songs, nicht direkt, aber doch vermehrt und hier und dort recht deutlich, immer wieder ein inspiratives Echo von Gentle Giant zu hören, zwar gut verbaut, aber doch deutlich. Die symphonischen Keyboardklänge, die schrägen Arrangements, rhythmische Forcierungen und Verschleppungen und ja, coole und frisch klingende, eingängige und verzwickte Harmonien sind die Basis der Musik, nix geklaut, aber doch nachempfunden.
Der Titelsong, eröffnender Track auf CD2, ist eine Landberk-ähnliche, tief lyrische, vor sich hin dämmernde Ballade mit knuffiger, sentimentaler Melodie, verspielt, verträumt und voll Imagination. Darin ein wundersames Piano-Bass-Interplay, sehr zart und luftig und voller Waldgeister, die durch das Motiv krümeln. 6 Minuten sind dafür fast zu kurz! Und weil das so ist, kommt das Thema in der improvisativen Pianonote "Love Revisited" 7 Titel weiter erneut zum Vorschein. "Blue Moon" ist oberflächlicher, netter, zeitgeistiger Schrammelpop, im nächsten Track murmeln melancholische Elfen ihr Abendgebet, danach geht es wieder flott zur Sache. Als hätten Samla Mamas Manna ihren schrägen Sinn für abgefahrenen Humor in die Gene Bearsfishs gepflanzt, sind instrumental tolle Ausbrüche samt finessenreichen Schräglagen in spielerischen Variationen der komplexen Motive zu hören, da heißt es zurücklehnen, dicke Zigarren rauchen und dem Wald beim Wachsen zugucken!
Das letzte Stück gibt sich alle Mühe, mal ernsthaft und hart zu rocken, was in der Folge mit den wundersamen Harmonien voll Kitsch und Kultur, Folklore und Avantgarde gründlich daneben geht. Auch dieses instrumentale Lied ist einfach nur hinreißend komisch, sympathisch und knuddelig; hätt' ich einen Teddy, ich würd ihn Beardfish taufen!
Also, da gibt's nix. Wer was Tolles erleben will, wenn er Musik in seinem wohltemperierten und vom Wohnzimmersessel bewohnten Wohnzimmer abspielen will, die Lebensgeister weckt und Lust auf allerhand dumme Sachen macht, der darf diese CD erstehen. Die paar Kröten für diese Musik sind ein guter Tausch!
Hoffentlich sind die schon wieder im Studio und haben in schwedischen Urwäldern noch mehr Wikinger-Lieder ausgegraben!

beardfish.argh.se
justforkicks.de
VM



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