Audiocrazy "Revolutions's Son" (The Lost Records, VÖ: 16.05.2008)

Ich habe selten eine so gesangslastige Band im Progressive Rock gehört. Was bei anderen Bands die knifflig komplexen Instrumentalparts sind, die den Hörer an die Lautsprecherbox bannen, ist hier die Vielfalt und Komplexität der Gesangsarrangements. Darum baut die Band hektische, laute, schrille, schräge, nervöse und zerfahrene Musik, die mal mit zappaesker Note auftritt, mal wie King Crimson Ende der Sechziger, mal wie Yes in den 80ern klingt. Der Gesang wird nicht in allen Passagen gesungen, in aufgebrachten Momenten, und davon gibt es einige auf der 46 Minuten langen CD, werden die Texte eher geschrieen, dann ist der Schreck wie das Herzklopfen groß. Stets sind die Songs sehr "laut", die steten Chorgesänge auf vervielfachten Tonspuren bauen eine stets aufgeregte, unruhige Stimmung. Nur kurze Parts in den Songs halten kurz inne, fahren die hohe Energie runter, lassen eine melancholische Note einfließen. Doch schon nach kurzer Zeit brennt die vitale, energische Band wieder auf Hochtouren.
Instrumental sind die Songs mindestens ebenso komplex komponiert wie der Gesang. Die Kompositionen sind schwer und von bombastischer Struktur, nicht sehr eingängig, ebenso wie die Gesangslinien.
Zuerst hatte ich den Eindruck, Audiocrazy würden Musical-Prog probieren, so sehr dominiert der Gesang die Songs. Aber das ist danebengegriffen. Die Musik funktioniert nicht wie im Musical. Partiell wirkt ein Motiv, eine Passage aufgesetzt, trotz aller Feinheiten konstruiert und wenig lebhaft. Weil die Songs so "laut" und stürmisch sind, vermittelt sich in aller Komplexität raue Grobheit.
Scott Rockenfield ist als Gastschlagzeuger in einem Song dabei. In allen anderen Songs frönt Bandschlagzeuger Rob Thurman (der einst in der Genesis-Tribute Band Seconds Out aktiv war) seinem Faible für elektronischen Rhythmus. Die zerfahrenen Songs haben keinen durchgehend typischen Rockrhythmus, sondern experimentelle Rhythmen, die neben Schlagzeug ekstatische Electronic ausspucken. Die Gitarren, von Bob Piper und Darren Chapman gespielt, sind mit einigen harten, crimsonesken Soli dabei. Das bestimmende Instrument im melodischen Aufbau der Songs ist das Keyboard, von Tobin Mueller gespielt. Orgel, Synthesizer und Piano kommen symphonisch und jazzig zum Einsatz, partiell klimpern gar avantgardistische Sounds über den musikalischen Sturm, als stammten sie von einem neuzeitigen Klassiker. Audiocrazy sind eine Ausnahme im Progressive Rock. Ihr avantgardistischer Sound mit symphonischen und jazzigen Anteilen findet keine Vergleiche. Audiocrazy halt!

tobinmueller.com
justforkicks.de
VM



Zurück