At War With Self "A Familiar Path" (Eigenproduktion, VÖ: 11/2009)

Im Progressive Rock geht es gern artgerecht zu. Wer seine Schublade gefunden hat, versenkt sich darin. Musiker wie Konsumenten. Bands bedienen charakteristische Typica. Manche CD präsentiert Bands, deren Songs die qualitativen Möglichkeiten mit Bravour erfüllen, andere, die es gerade so schaffen, und auch solche, die nach einem halben Versuch und einer stolzen CD nie wieder aus der Versenkung auftauchen, zum Glück. Und dann sind da noch die Bands/Musiker/Komponisten, die sich nicht innerhalb stilistischer Grenzen aufhalten, alles sprengen, Konzepte und Wege darüber hinaus suchen und finden, und damit Nachfolgern Wege eröffnen, Möglichkeiten aufzeigen, die geliebte Musik reicher, vielfarbiger zu machen, zu erneuern, nicht die Asche warm zu halten, sondern die Glut weiterzugeben.
Glenn Snelwar (g, mand, b, keys, voc) ist so ein Musiker. Cynic war eine seiner Stationen, und da schon hat er grenzüberschreitend gearbeitet. Sein eigenes Projekt At War With Self, der Name sagt schon, dass Musikfindung ein immerwährender Kampf gegen Faulheit und Kurzsichtigkeit in sich selbst ist, ein stetes inneres Ringen, überschreitet auch und vermehrt mit dem dritten Album übliches Prog-Terrain.
Nach "Torn Between Dimensions" (2005) und "Acts of God" (2007) beweist Glenn Snelwar erneut Intuition, Inspiration und Kreativität. Einflüsse aus der klassischen Musik, aus Folklore und klassischer Rockmusik mischen sich mit Progressive Rock und Metal in erhaben düsteren, schwer harten sowie lichthellen Kompositionen. Spuren von Jazz sind auszumachen, kurz gar Free Jazz, asiatische Folklore steckt in hartem Metal, avantgardistische Tendenzen haben sich eingegraben. Die Songs verraten eine exzellente Handschrift, hier ist kein Eigenbauhandwerker am Werk, sondern ein ausgefuchster und ausgebildeter Musiker, der ein intensives Gespür für rasant lockere Arrangements, schwungvolle Harmoniebögen und aggressive Songstruktur hat, der instrumentale Finessen zu schreiben und spielen weiß, ein schier unleerbares Füllhorn an Ideen hat und seine acht Songs so lebhaft, virtuos und dramatisch kraftvoll hat werden lassen, dass nur zu staunen und genießen bleibt.
Die musiksatte Fangilde, Progressive Rock ist längst zu einem Massenphänomen geworden, nicht nur, was die Unmenge an Musikern betrifft, die sich ihrer Musik hingebungsvoll widmen, nicht nur der Fülle an CDs, die ständig veröffentlicht werden, nicht nur der Stilbreite, die das Genre groß und ausdrucksstark hat werden lassen, sondern auch, was die Wirkung in ganz andere Musikbereiche betrifft, selbst dort, wo ‚Prog' gern als Hasswort verstanden wird, hat stets die Hingabe und Musiksucht, sich in die Klänge zu versenken, mit jedem Durchlauf neue Facetten zu entdecken, wird die CD lieben.
Neben Snelwar ist Manfred Dikkers (dr, perc) wieder mit dabei, Maggie Snelwar hat ein paar ergänzende Vokalparts beigesteuert. Die Songs sind überwiegend instrumental aufgebaut. Selbst die Vokalsongs haben ausführliche Instrumentalparts, was gesungen, ist so einzigartig gut in das instrumentale Geschehen eingefügt, das ich in manchem Fall überrascht bin, plötzlich Gesang zu hören und den Song erneut starte, um festzustellen, dass schon ständig gesungen wird. Glenn Snelwar spielt häufig akustische Gitarre, sehr exakt, sehr technisch, aber ohne extravagant ausgefallen komplexe Radikale, sein Spiel ist harmonisch, erinnert mich hin und wieder an die Folksongs der dritten Led Zeppelin Platte, ist ausdrucksstark, melodisch facettenreich und unglaublich verspielt. Da sind bombastisch symphonische Songs, metallisch harte Brutalattacken mit schweren Stakkatoriffs, oder luftige Mandolinenparts, die leichthändig und unglaublich intensiv wirken. Es gibt viele Metal-Techniken in entspannter Rockhärte, dramatische Heavy-Eskapaden und technische Rasanz. Verspielte Quasi-Folkmotive und klassisches Spiel auf der akustischen Gitarre, die so viel und intensiv wie auf "A Familiar Path" noch nie von At War With Self zu hören war.
Das Album ist sehr kurzweilig. Sicher, ein neues Genre wird nicht erfunden. Aber Glenn Snelwar und At War With Self wissen mit viel Gespür für gute Songs mitreißende Songstrukturen zu erschaffen und diese lebhaft auszubauen. Die Band, zuerst wohl im Progmetal zu Hause, ist auf alle Fälle ein außergewöhnliches und außergewöhnlich gutes Ensemble, das keine Sekunde langweilt und stets überraschende Wendungen auspackt. Die Songs sind zwischen 3 und 9 Minuten lang, haben stets alles, was dran sein muss. No Filler, all Killer. Das Dingens von altem Motto passt hier wie die Faust aufs Auge.
Bemerkenswert über das Genre Progmetal hinaus.

glennsnelwar.com
digstation.com
cdbaby.com

VM




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