Atomic Rooster "In Hearing Of" "Made in England" (Sanctuary Records 2004)

1971 veröffentlichten Atomic Rooster "In Hearing Of". Nunmehr aus Vincent Crane (key), Peter French (voc), John Cann (g) und Paul Hammond (dr) bestehend, spielte die Band fabelhaften Progressive-Hardrock. Immer mit einem Faible für jazzige Arrangements, angereichert mit einer Fülle illustrer melodischer Ideen, strotzen die Songs nur so vor Kraft.
Unter den 8 Stücken ist nicht ein Füller, die vitalen Rocker haben ordentlich Schmackes, mal lässig, mal rasant und immer mit viel Körper gehen sie gut ab. Mit "Black Snake" ist eine der besten (wirklichen Rock-)Balladen aller Zeiten an Bord. Überhaupt gilt, so gut die deftigen Songs von Atomic Rooster auch sind, am besten konnte Vincent Crane Balladen komponieren, arrangieren, spielen. "Decision/Indecision" ist ein weiteres geniales Stück, das Schlagzeug spielt rhythmische Finessen, während das Piano die durchdringend harmonische Melodie fährt, von einem einfühlsamen, tiefen Bass begleitet. Auf der Basslinie wirkungsvoll schwer, während die Melodielinie illuster tanzt, grandios! Gleich im Anschluss beginnt "A Spoonful Of Bromide" mit einem verflixt komplexen Rhythmus, auf dem sich ein harter, mitreißender Jazzrock entwickelt. "Head in the Sky" und "The Rock" fallen etwas ab, das liegt an der dünnen, blechernen Gitarre, die, gut gespielt, einfach einen arg schlechten Sound hat. Trotzdem ist gerade "The Rock" ein schön fettes Funk-Stück, mit leider lächerlich matten Bläsersätzen.
Der CD ist als Bonus "Devil´s Answer" in der US-Version sowie "Breakthrough" und "A Spoonful Of Bromide" von einem BBC-Konzert in Paris 1972 angehängt worden, nette Sache, die die instrumentale Variabilität der Band zeigt.
Die drei ersten Alben von Atomic Rooster haben Geschichte geschrieben und gehören zu den Highlights der Rockmusik der beginnenden 1970er Jahre. Meilensteine geradezu, irrsinnig lebendig und nahezu perfekt.
"Made in England" stand 1972 in den Plattenläden. Neben Vincent Crane waren nunmehr Rick Parnell (dr), Steve Bolton (g) und der ausgezeichnete Sänger Chris Farlowe involviert. Eine gute Besetzung, die fabelhafte Songs spielte, aber auch ordentlich Mist verzapfte. Mit Chris Farlowe, der vorher bei Colosseum sang, entwickelten Atomic Rooster ihre Vorliebe zum Soul. Die Arrangements waren weich harmonisiert und teils gar verkitscht, die Funk-Soul-Stückchen passten wenig zu dem differenzierten Hardrock, zudem bediente sich die Band bei sich selbst - vieles sprach von einem Dilemma. Chris Farlowes Stimme gab zwar starken Input, gleichfalls hat Farlowe sicherlich erst die Soul-Einflüsse mitgebracht oder zumindest verstärkt. "Stand by me", "Don´t know what went wrong", "People you can´t trust" und "Close your eyes" sind gleich vier Mainstream-Soulsongs, in denen außer aufgeregtem Gesang nicht viel passiert. Die Hardrocker waren im Vergleich zu früher viel weniger vital. Als hätten Vincent Crane und Atomic Rooster keine Ideen mehr, läuft alles schwerfällig, weniger kraftvoll, klingt Atomic Rooster plötzlich gewöhnlich wie eine ganze Horde ähnlicher Bands und tut sich kaum hervor. Eigentlich erstaunlich, denn ein Jahr später hatte die Muse die Band wieder geküsst (Nice & Greasy).
Um den schalen Eindruck etwas aufzubessern, sind gleich 8 Bonussongs angehängt worden, 4 BBC Sessions und 4 Livetracks, die rauer, kraftvoller, dynamischer sind, nicht gebremst und ausgelaugt, wie die originalen Songs von "Made in England".
Die Booklets beider CDs gehen detailliert auf die Entwicklung von Atomic Rooster ein, Interviewschnipsel, Bilder, LP-Labels und Singles sind abgedruckt. Schöne Sache, die beide Veröffentlichungen ("Made in England" nicht nur aus historischen Gründen) empfehlenswert macht.

atomicrooster.co.uk
sanctuarygroup.de
VM



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