Art Rock Circus "Heavens Cafe' Live" "A Passage To Clear" "Tell A Vision"
Mantra Sunrise "Mantra Sunrise" (Tributary Records 2000 - 2005)

Art Rock Circus und Mantra Sunrise sind zwei Bandprojekte des US-amerikanischen Gitarristen, Sängers und Komponisten John Miner. Auf Tributary Music gibt es eine Reihe interessanter Veröffentlichungen um John Miner, von denen auf nicht einer Produktion Jahreszahlen angegeben sind. Wann und wo die CDs eingespielt, aufgenommen, gemixt und gemastert wurden, bleibt im Verborgenen und nur anhand auf der Tributary Webseite angegebener Reviews kann man grob erkennen, in welchem Jahr die CDs produziert wurden.
Demnach stammen "Mantra Sunrise" und "Heavens Cafe' Live" aus dem Jahr 2000, "A Passage To Clear" folgte ein Jahr später und "Tell A Vision" - endlich mal eine Jahresangabe - ist brandneu, aus 2005. (So lange wir wissen, wie Alzheimer mit Vornamen hieß…).
"Mantra Sunrise" macht seinem Namen alle Ehre. Es gibt Psychedelic Rock, ähnlich wie Gong ihn einst zelebrierten, jedoch längst nicht so ausgeflippt und lustig, und eher mit dem dunklen Schleier der Melancholie versehen. Neben John Miner (g, voc) sind Joel Blissing (lead voc, b) und Wayne Garabedian (dr, perc, key) sowie ein paar Gäste beteiligt gewesen. Es braucht eine Weile, bis die spröden Songs ihren Charme versprühen, doch nach einigen Durchläufen bleiben die markanten Breaks und Melodien haften und plötzlich fließt die Musik von ganz allein. Akustische Songs lockern die leise, zurückhaltende, düstere Struktur auf und entspannen mit forscher Note. Das knapp 20-minütige "Land Of Sprinagar" bringt eine zarte Pink Floyd Stimmung ein. Die CD trifft definitiv den Geschmack der Psychedelic Publikums und hat mit Progressive Rock wenig zu tun.
Ganz anders die Alben des Art Rock Circus, die komplett (neo-)progressiv aufgebaut sind, wenn die Gitarre auch hier melodisch im Mittelpunkt steht. "Heavens Cafe' Live", die Liveversion der gleichnamigen Rockoper, beginnt gleich mit einem rhythmisch komplexen Stück, bei dem Bass und Gesang die Melodie halten, während die Gitarre harsch im Off die Stimmung aufkratzt. Neben John Miner (g) sind Jon Cornell (b), John Weisberg (dr) und Melanie Grimmett (vi) die Instrumentalisten. 6 unterschiedliche Sänger bestimmen die einzelnen Charaktere der Rockoper. Wie schon auf "Mantra Sunrise" ist der Sound nicht ideal abgemixt, die Gitarre ist zumeist leise im Hintergrund zu hören. Die kompakten Songs sind interessant arrangiert und sehr melodisch, manches der Stücke würde auch herausgetrennt aus der Rockoper funktionieren. Die Gesangsarrangements nehmen zwar viel Raum ein, sind aber nicht aufdringlich. Die Dramatik ist etwas flach, die Stimmung nicht sehr emotional. Nach 46 Minuten sind die 11 Tracks ausgespielt. Wären noch instrumentale Freiräume ausgebaut worden, hätte die Produktion mehr Reiz.
Auch ein Jahr später blieben die Songs kurz und kompakt, wieder sehr Gesang betont und auf einen hervorragend komplexen Rhythmusteppich gebettet. Devon Lebsack (dr), Kelton Manning (b), Karyn Anderson (voc, key) und Karen Renée (voc) sowie einige Gäste in einzelnen Parts unterstützen John Miner. Die Songs sind ruhig, geradezu intim und sehr lyrisch, der weibliche Gesang rückt die ausgezeichnete Instrumentalarbeit etwas in den Pop. Dennoch ist "A Passage To Clear" für jeden Radiosender zu anstrengend. Die melodischen Arrangements scheinen etwas eindimensional, stets scheint etwas zu fehlen, als spielte die Band ein Gerüst, dem ein melodisch instrumentaler Teil abhanden gekommen ist. Die CD braucht einige Durchläufe, um harmonisch zu klingen. John Miners Gitarrenspiel ist etwas zu verspielt, um den melodischen Rahmen allein zu füllen.
Ganz anders das gerade neu eingespielte "Tell A Vision". Strukturell ist die Band schon wieder zu erkennen. Jedoch ist jetzt der Sound viel reicher, die Band aktiver und selbst John Miners Gitarrenspiel, teilweise immer noch mit der psychedelischen, realitätsverlorenen Verspieltheit, gibt sich konkreter, melodischer, rhythmischer. Und wieder ist eine ganz andere Band neben John Miner dabei: Nolan Stolz (dr, perc, key), Tony Branco (key), Erika Syriod (vi), Milo (key), Karen Wallo (voc), Kelton Manning (b), Jim Martino (b), Miche' (voc), Timothy Burris (voice) sowie David Hornbeck (voc). Nicht alle Musiker sind in allen Songs aktiv dabei, die Stücke wurden über einen längeren Zeitraum aufgenommen, in dem es immer wieder zu personellen Wechseln kam. Wie dem auch sei, alle Musiker sind mit freiem Oberkörper im Booklet abgebildet, und gehören somit bildlich zusammen. John Miner hat die Songs nicht allein geschrieben, 9 der 14 Tracks auf den beiden CDs sind in der Band entstanden. Damit wird die Musik runder, wärmer und angenehmer, ohne ihren spröden Charme zu verlieren.
Die 5 Songs auf CD1 füllen knapp 40 Minuten, die 9 auf CD2 bringen es auf 44 Minuten, zusammen gehen beide Silberlinge knapp über eine volle CD - Länge hinaus. Der Titeltrack und Opener ist gleich knapp 20 Minuten lang. In dem Song passiert stets etwas, in den Vokalpassagen ist die Band etwas zurückhaltender, dazwischen jedoch kommen Soli von Bass, Orgel, Oboe, Piano, Harpsichord und Gitarre zum Tragen. Tolles Stück mit ausgezeichneter und erfrischend heftiger rhythmischer Bassarbeit, dem sich die 4 kürzeren Songs ähnlich anschließen. Die durch Tasteninstrumente reichen Harmonien schaffen hinreißende Arrangements, komplexe Ausbrüche sind jedoch selten, abgesehen von einigen wenigen Soli, in denen die Band kurzzeitig gut explodieren kann. Hinreißend das kurze Rhythmusstück "Art Of Bells". Schön der Neoprog "The Ballad Of Joan Allen" mit Violinensolo, lyrisch das verträumte "The Cult On Hammer Hill".
Die 9 Tracks auf CD2 reichen von instrumentalem Nonsens im einminütigen "Song For A Fifth Season" über lyrischen Neoprog ("Rainbow Sun") bis zum avantgardistischen 9-minütigen Rocker "Synopsis". Spanische Gitarre mit forschem Solo ("String Theory #1"), jazzige Keyboardharmonien, hinreißende Gesangsarrangements und fast immer diese stille, spannende Stimmung - "Tell A Vision" ist ein tolles Werk. Ungewöhnlich und vielfältig, und vor allem das Beste von John Miner und Art Rock Circus.

tributarymusic.com
VM



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