Antonello Giliberto "Journey Through My Memory" (Minotauro Records 2015)


Ich bin ein hoffnungsloser Liebhaber von Gitarrenalben, dies sei an dieser Stelle vorausgeschickt. Wenn dann noch ein Schlagwerker aus dem erweiterten Kreis meiner Lieblingstrommler am Set sitzt, gibt es für mich kein Halten mehr. Insofern schwelge ich in diesen Klängen wie eine sich nach Wärme sehnende coole Sau in der Sauna direkt nach dem Aufguss. Keinen lauwarmen Aufguss berühmt-berüchtigter Axtler hat der gute Antonello mit seinem zweiten Album abgeliefert, sondern ein reifes Werk mit verschiedensten Duftnoten, die reinziehen wie ätherische Öle. Am ehesten kann man seine Spielkunst vielleicht mit einem der unterbewertetsten Gitarristen dieses Planeten, nämlich Tony MacAlpine, vergleichen, der nicht nur durch seine kompositorischen Ideen und seine exorbitante Spieltechnik an Griffbrett und Klaviatur glänzt, sondern auch durch seine freundliche, reflektierte und bescheidene, fast schon zurückhaltende Art. (Tony ist klassisch ausgebildeter Pianist und Geiger; er ist für mich außerdem der Neil Peart an der Klampfe und sollte in einer gerechten Welt der Superstar sein, der er gar nicht sein möchte.) Aber zurück zu Senior Giliberto, der wie Tony Gitarre und Keyboards (Zufall?) spielt; mal grunzt er im Schweinsgalopp in der Facon eines riffbewährten Keilers (stellenweise sogar wie Hogfather persönlich), mal quiekt er wohlig in der arpeggiösen Heimeligkeit eines Frischlings. Bei einigen Stücken kommen sogar Erinnerungen an Bernd Steidl hoch, einem Genie von Weltrang an der Akustik-Gitarre. Zwar spielt Antonello seine unelektrifizierte Gitarre in technischer Hinsicht nicht annähernd ähnlich wie Bernd, wobei es in diesem Zusammenhang für mich völlig unerheblich ist, ob er dazu technisch in der Lage wäre, aber er ist vom gleichen Geist und Feuer für die Musik beseelt. Antonello Giliberto muss nach Analyse seines Gitarrenspiels eine überaus facettenreiche Persönlichkeit sein, die Kopf, Herz und Hand in relativ ausgewogener Form in sich vereinigt. Begleitet wird er von einer kongenialen Rhythmusgruppe, bestehend aus John Macaluso am Schlagzeug und Dino Fiorenza am Bass; diese beiden Jungs haben sämtliche Tricks versierter Techniker drauf. John spielt wie immer in höchst einfallsreicher Weise, was die jeweilige Komposition verlangt. Schon längst ist er über das Stadium "ich zeige euch jetzt mal, was ich alles kann" hinausgewachsen und macht mit seinen zwei Staubwedeln gewaltig Wirbel, wo es angesagt ist. Allerdings streichelt er seine Instrumente in sehr subtiler Form, wenn es der Musik dienlich ist. Dino, der Gandalf am Viersaiter, gefällt mir besonders gut, wenn er slappt; in dieser Disziplin ist er ein wahrer Spitzenkönner. Wie gerne würde ich ihn mal in einem Funk-Kontext hören. Grandios! Bei aller Voreingenommenheit gibt es für mich einen gravierenden Kritikpunkt: Die Scheibe ist mit 51 Minuten definitiv zu kurz! Doch resümierend muss beim Hören dieser Aufnahme selbst der größte Kritiker von Gitarrenalben zugeben, dass hier eine oberamtliche Arbeit abgeliefert wurde, die übrigens auch in der Covergestaltung ihren Ausdruck findet. KLASSE!!!

antonellogiliberto.jimdo.com
Frank Bender



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