Amon Düül II "Hijack" (Garden Of Delights 2003)

"Hijack" gehört zu den weniger beachteten, späteren Alben der beliebten Band Amon Düül II. Auf die Geschichte der Band soll hier nicht eingegangen werden, zum einen ist sie wohl bekannt, zum anderen wird sie im umfangreichen Booklet zur CD ausführlich erzählt. 1974, als "Hijack" ursprünglich erschien, war die Band um einiges erfahrener, älter und nüchterner als zu Zeiten der Einspielung ihrer ersten Alben gewesen. Die Songs waren längt nicht mehr so extrem und free, Komposition und Arrangement, Harmonie und Dynamik waren längst zu Begriffen für die Musiker geworden, die es zu nutzen/erfahren galt. Ausgefeilte Strukturen bestimmten die Songs, die viel leichter und nachvollziehbarer klangen, als die frühen Klangorgien. "I Can´t Wait" als rhythmusbetonter Space-Rock eröffnet das Album sehr harmonisch und lyrisch und geht in das harte Funk-Brass-Stück "Mirror" über, das gar mit verfremdeten Stimmen im Stil der Schlümpfe kokettiert und damit wohl die konservativen Fans verschreckt haben wird. Aus heutiger Sicht ein netter Spaß. "Traveller" mit Renate Knaup als Sängerin ist ein liedhafter Song, der den Unterschied zwischen dem Eindruck, den Lothar Meids und Renates Stimme macht, zeigt. So interessant Renate singt, kann sie doch niemals mit Lothar Meid mithalten, der eine eindrucksvollere Stimme hat. Zudem singt Renate Knaup hier eher folkig-hoch, süßlich und unbestimmt. "You´re Not Alone" ist ein beeindruckenderer Song, das Stück wälzt sich dahin, fließt schwerfällig und ummantelt die Sinne des Hörers wie Hypnose. "Explode Like A Star" kann da nicht mithalten, obwohl das Thema inspiriert ist. "Da Guardeloop" ist ein sphärischer Song, der vor sich hin dämmert und gefährlich in die Ohren sickert. Perfekt gemacht, fast schon easy listening, aber hinterhältig und gefangen nehmend. Im Anschluß spielt die Band Ornette Colemans Song "Lonely Woman". Ein grandioser Song, der in dieser Intonation zu ganz neuer Qualität findet, und mit seinen furchteinflößenden Themen Gänsehaut über den Rücken jagt. Renate Knaup singt hier sehr beeindruckend. "Liquid Whisper" ist ein hübsches Ding von Lied, das als kleiner Space Rock die Lücke zwischen dem 7. und 9. Song mit Ach und Krach füllt. "Archy The Robot" macht das wieder wett und gibt sich zum Schluss des Albums als obskures, seltsames Teil, das nicht recht weiß, was es will. "Hijack" hat viele tolle Momente, allerdings auch einige Füller, die die Qualität mindern. Seltsamer Weise klingt das Album überhaupt nicht wie von einer deutschen Band komponiert und eingespielt. Es hat auf alle Fälle seine Reize und kann mitreißen, aber es macht auch klar, warum das breite Interesse an der Band zurückging, denn die wilde Dynamik und ausgeflippte Rasanz der früheren Alben und Konzerte der Band ist hier einfach nicht mehr vorhanden.

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VM




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