The Amber Light "Goodbye to Dusk Farewell to Dawn" (Quixote Music 2004) "Stranger & Strangers" (Quixote Music 2005)

"Silence is the new loud" las ich vor kurzem auf einem CD-Cover. Was das Klima der populären Musik betrifft, stimmt das auch. Begeisterte sich der Nachwuchs seit Mitte der 50er Jahre und zunehmend seit Mitte der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts an lauter, wilder Musik, so ist seit Beginn der Achtziger Jahre ein Abnehmen der Lautstärke (mal abgesehen von Metal und Artverwandtem), eine Ästhetisierung und extreme Kommerzialisierung der Popmusik (aller Stile) im Allgemeinen nicht zu übersehen, bzw. überhören. Die Puhdys meinen zwar: "was gut ist, setzt sich durch". Aber die wissen gar nicht, wie Unrecht sie haben!
Leichte, einfache, billige Musik trifft den heutigen Zeitgeist und zieht gleich dem Rattenfänger von Hameln die von allen Idealen befreite Hörerschar mit sich.
Nun sind es sicher keine Robin Hood's oder andere Weltenretter, die mit eigener, wirklicher Musik (was ist wirkliche Musik - und wo hört sie auf?) dagegen halten. Aber es sind viele, und jedes Lager der breitspektralen Popmusik dieser Zeit hat welche. Musiker und Fans, die sich einen Scheiß darum kümmern, was der stumpfe Zeitgeist präsentiert und mit offenen Ohren die Abenteuer vorziehen, die ihre Lieblingsbands zu schaffen wissen.
The Amber Light gehören zur jüngeren Generation der Bands, die eine Ahnung von Progressive Rock in ihren von 30 Jahren Rockmusik beeinflussten Songs transportieren. Ihre kurzen Songs sind durchaus moderner, tanzbarer Pop mit einem Faible für faszinierende Harmonien und schrammelnde Gitarren. Der Sänger haucht die Lyrics hervor und das Keyboard mit dem Wurlitzer Sound untermalt eine sanft sich entspannende Szene - nett! Das klingt hübsch verträumt, lyrisch und schwingt in sanfte Düsternis transportierender Melancholie lässig aus. Die langen Tracks unterscheiden sich in den instrumentalen Passagen vollkommen vom sonstigen Material der Band. Entweder entflechten The Amber Light symphonische Weite oder psychedelisch anmutende Minimalistik. Und stets sind diese wahnwitzig spannenden Songs sehr gelungen!
Aus den Songs spricht eine Menge Hörerfahrung der involvierten Musiker: Prog der 1970er, New Wave und Pop der 1980er, Brit Pop und Gitarrenrock der 1990er, all das ist hier zu einer mit einzigartiger und wieder erkennbarer Handschrift geschaffenen homogenen Musik verschmolzen. Dabei wird The Amber Light auch schon mal laut, aber nie kracht es wirklich. Selbst in den rockenden Passagen ist die eigentliche Ruhe der Motive immer noch auszumachen. Nie gibt es fetten Bombast oder aufgeregt wildes Material zu hören. Als kontrolliere die Band stets ihren Blutdruck, bleiben die Emotionen unten, finden Erfüllung eher in der wahrhaft langen und dabei recht prächtigen Ausarbeitung der Kompositionen.
Manche Songs von The Amber Light enden bereits nach 4 bis 6 Minuten. Diese Songs könnten gar im Radio laufen, wenn ambitionierte Radiomacher davon Wind bekommen würden. Besonders gelungen sind jedoch die langen Teile, die schon mal über 14 Minuten gehen können und faszinierende Strukturen entdecken lassen.
Angenehm finde ich den Wechsel der Gesangssprachen mitten im Song (vom englischen Standard zu spanisch).
Im letzten Jahr brachte die Band ihr Debüt "Goodbye to Dusk Farewell to Dawn" auf den Markt. Jetzt folgt mit "Stranger & Strangers" eine 26-minütige EP-CD, die nicht weniger interessant ist. 2 "normale" Songs eröffnen, dann folgen der 14-minütige Titelsong und sodann die Akustik-Version eines niedlichen Stückes des Debüts. Das kann sich hören lassen.
Wenn dafür nun eine Schublade gefunden werden muss und man es genau treffen will, dann ist die Band mit ihrer Musik wohl zwischen Artrock und Post Rock aufgehoben, denn Neoprog trifft es längst nicht. Hier sitzt ein völlig anderes Verständnis hinter.
Vielleicht wird mit jungen Bands wie The Amber Light auch etwas anderes deutlich: jede Generation wird ihre eigene Handschrift haben. Und natürlich: Musik hat kein Ende…

theamberlight.de
VM



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