Alex' Hand "Künstler Sheiße" (Eigenproduktion 2016)


Ja, der Advent. Da kündigen sich die Dinge an. Auch manche, die erst zwei Monate später veröffentlicht werden. Etwa das ironische Avant Prog Album "Künstler Sheiße" der Combo Alex' Hand.
Alex' Hand - noch nie gehört? Das Bandprojekt arbeitet schon ein paar Jahre locker vor sich hin, diverse Mitarbeiter nahmen die Instrumente in die Hand und legten sie nach fertigem Album wieder ab. Vor diesem hoffnungsfroh angekündigten Vorfreudealbum mit dem entfesselten Titel gibt es bereits vier Alben und zwei Singles (siehe Link unten).
Im Kern ist Alex' Hand ein Duo: Kellen Mills (Komponist, Bass, Vox, Synth) und Nic Barnes (Komponist, Drums, Percussion, Synth). Die eigene Aussage liest sich so: Alex's Hand ist artverwandt mit Frank Zappa, King Crimson, The Residents, Mr. Bungle, Mars Volta und Henry Cow. Sie verbinden vielzählige Stilrichtungen aus Jazz, Rock, Funk, Pop und Experimental zu einem stimulierenden Hybrid. Basic Tracking der Single sowohl des zugehörigen Albums "Künstler" fanden in San Francisco, Kalifornien statt, und wurden in Berlin, Deutschland ausführlich durch das Overdubbing von Berliner Musikern erweitert.
"Künstler Sheiße" ist noch nicht fertig, mir liegt eine digitale Pre-Master Version vor, die etwas runtergetunt ist, aber schon deutlich von der abgefahrenen Qualität spricht, die sich hiermit ankündigt.
Acht Tracks sind auf dem Album versammelt, darunter das bereits als Single veröffentlichte "Mars Travolta". Am schnellsten ist "Evanslipsbackwards" fertig, nach 0:53 Minuten. Am längsten braucht "Slave" mit 14:54 Minuten. Drei Tracks sind weit über 10 Minuten lang, einer läuft beinahe 9 Minuten, zwei Stücke tummeln um 6 Minuten - aber das steht alles wohl noch nicht so ganz genau fest, immerhin ist hier noch nichts so richtig im Endstadium und vollkommen.
Doch Vollkommenheit im intellektuell krassen Jazzrock-Geist Frank Zappas darf absolut erwartet werden. Gewiss haben Alex' Hand kein Interesse, den Altmeister FZ zu kopieren, aber sie studierten sein Werk und ließen sich davon inspirieren. Bisweilen ist der Einfluss deutlicher, partiell verfliegt er vollkommen, wenn die Band sich im Rausch in radikale Freerock-Gefilde vorarbeitet und ein gewaltiges, kaskadenartiges Dröhnen, Donnern und Bersten entfaltet. Der Zuhörer darf sich getrost auf friedfertige Musik (trotz Krawallbeben) freuen, im gemütlichen Wohnzimmersessel diesen abgefahrenen Klängen zu lauschen, wird höchster Genuss sein. Kaffee oder Tee dazu - die Entscheidung sei frei.
Live in einem Studio in California aufgenommen und auf Tour im Februar 2014 in Berlin fertigstellt (Overdubs, Mix), haben neben Lennon/McCartney, Pardon, Mills/Barnes als weitere Musikhandwerker Steve Barnes (Klavier und Komposition für "Trained"), Ben Reece (E-Gitarre, Vox), Max Steiner (E-Gitarre), Rieko Okuda (Tasten, Synth), Carl Andrew O 'Sullivan (Talk, Singing), Johannes Schleiermacher (Flöte, Tenorhorn und Tenorsaxophon), Charlotte Birkenhauer (Vibraphone) und Rob Mattessi (Trompete) die Songs eingespielt.
Die Komponisten beweisen starke, eigene Handschrift. Als ersten Vergleich würde ich (vor Zappa) Sleepytime Gorilly Museum oder Idiot Flesh anbringen, aber auch hier gilt: Alex' Hand kopieren nicht.
Die Band spielt saftigen, kernigen, rocksatten, kraftvollen Progressive Rock mit starken Jazz-Einflüssen auf deutlich avantgardistische Weise. Doch trotz aller verrückten, thematisch abgedrehten, aufwendigen und hinreißend unterhaltsam schrägen Idee rocken die Songs. Stille-Inlays sind oftmals jazztriefend (mittendrin kann es ebenso in krassen Metal wie in Zirkusmusik gehen, nur weil es so schön ist) und scheinen unwirklich, verzaubert. Wirklich zu beschreiben ist das gesamte Album kaum, eher darf auf zahllos verschiedenste Facetten hingewiesen werden, die aus allen Richtungen der abgefahrenen Rockmusik zusammenströmen und das Zirkusrad zum Rollen bringen.
Weit von stumpf prolliger Attitüde entfernt, angenehm hochqualitativ und radikal wild macht sich diese feine Arbeit mit Freude in den Gehörgang auf, des geneigten (und süchtigen) Zuhörers Hörsinn mit allerlei brachialen und lyrischen Musikarbeiten zu erfreuen. Harmoniesüchtige Musikhörer dürfen sich ihre Joggingschuhe anziehen und die 63 Minuten außerhalb des Lautsprecherbereiches verbringen.
Bleibt zu sagen, dass ich mich unbändig auf das originale, echte Endmix-Album freue und mein CD-Spieler ebenso. Musik hat kein Ende.

facebook.com/alexshandband
alexshand.bandcamp.com (album streams online)
VM



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