Alex Carpani "Waterline" (Cypher Arts 2007)

Alex Carpani hat eine Menge Gastmusiker gefunden, die für Progressive Rock erstaunlich kurzen 11 Songs seines Albums "Waterline" einzuspielen. Alle Beteiligten waren gewiss nicht in jedem einzelnen Song aktiv. Allein die stattliche Anzahl von acht Gitarristen, die zudem aus verschiedenen Fächern kommen, ist zuviel für stete Anwesenheit im Studio. So viele schwarze/rote Ledersofas kann es in beengten Studioräumlichkeiten gar nicht geben!
Carpani spielt Keyboards, Aldo Tagliapietra (Le Orme) singt, die weiteren Musiker halte ich auf Grund ihrer englischen, teilweise bekannten Namen für Gastmusiker, die bestimmte Aufträge bekamen - und die sie mit Bravour erfüllten. Von der jetzigen Liveband war, bis auf Carpani, der war schon dabei, kein Musiker an der Einspielung "Waterlines" beteiligt.
Auf Grund des Namens und des musikalischen Stiles tippte ich bei Carpani erst auf italienische Heimat, der gute Mann kommt jedoch aus dem Schweizer Montreux. Aldo Tagliapietra nicht allein bringt das "Italo"-Flair mit sich. Gewiss war die klassische Italo Prog Szene in mehrfacher Hinsicht Vorbild für Carpanis Kompositionen.
Die Keyboardarbeit ist das Herzstück auf "Waterline", die Gitarristen kommen nicht weniger gut zum Einsatz, ob nun im symphonischen Arrangement der Songs oder solistisch, einige Soli sind von besonderer, außergewöhnlicher Qualität, leider weiß ich nicht, welcher Gitarrist welche feine Arbeit abgeliefert hat. Das Schlagzeug hatte mit Neil Bettencourt einen begabten Trommler an den Stöcken, der jedoch bereits weitaus besser und virtuoser gespielt hat, als hier. Was vom Schlagzeug kommt, klingt unterbelichtet, geradezu banal, auf Nummer sicher gehend, die Möglichkeiten bei Weitem nicht ausschöpfend. Zudem ist das Schlagzeugspiel pappig abgemixt. Klingt ganz, als hätte der Chef des Unternehmens kein besonderes Ohr dafür. Ich vermute aber eher, dass unbedingt vermieden werden sollte, dass sich neuzeitlicher Groove in die Songs verirrt und dafür ein extra "alter Stil" zur Anwendung kam. Jedoch, es gibt alte Arten die Trommel zu schlagen, ohne so verkümmert zu klingen und keinen modernen Groove zu intonieren (der dann schließlich doch noch passiert…).
Die Songs finde ich ausdrucksstark und enorm abwechslungsreich komponiert. Klassische Italo-Einflüsse sind nicht von der Hand zu weisen, ebenso wird Carpani eine Vorliebe für Gentle Giant haben, ohne von diesem unerreichbaren Prog-Gott direkte Inspiration zu beziehen, eher wirkt Carpanis harmonische Vielschichtigkeit und das grandiose Verzahnen der Motive aus der Schule des besten Vorbildes aller Zeiten entnommen.
Die zumeist instrumentalen Stücke gehen gut ab. Jazzrock und intensive Symphonic-Strukturen alter, guter alter Progressive Rock Art feiern sich ausgiebig, wenn die einzelnen Songs auch nicht lang sind, so kommt Intensität hier nicht zu kurz.
Manche Idee ist allerdings etwas fad, oder klingt fad gespielt, wie der Titeltrack, bei dem mehr möglich gewesen wäre. In einigen Tracks sind Bläser zu hören, die ihre Parts grandios einbringen - etwa im Titelsong. Was vom Bass zu hören ist, macht die Songs rund und satt, ist wenig auf besonderes Melodiespiel orientiert und untermauert mit tiefer Fülle den Rhythmus.
Das Cover stammt von Paul Whitehead, der bereits für Genesis an die Leinwand getreten ist. Sein Bild ist, mit Verlaub, der pure, idiotische Kitsch, spricht nicht für großartiges Handwerk und weist zudem eine schreckliche Ideenbanalität auf, wie sie im (kunstvollen) Prog-Genre hin und wieder ihre entsetzlich dämliche Geltung präsentiert. Wenn es nicht so lächerlich wäre, könnte mich das bekloppte Cover geradezu wütend machen.
Ich hoffe jedoch, dass sich potentielle Fans nicht vom Äußeren abschrecken lassen und der interessanten und überraschend angenehmen Musik ihre Aufmerksamkeit schenken.

alexcarpani.com
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youtube.com/alexcarpani
VM



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