Alan Sondheim / Azure Carter / Luke Damrosch "Threnody" (Public Eyesore 2015)


Unter den 24 Tracks dieses Albums (75:30 Minuten) sind einige, die der Frage: was ist Musik (und was nicht) einigen Auftrieb geben können. Die instrumentale Performance ist zwar an sich bereits ‚schräg' und äußerst extravagant - doch was die Kopplung des instrumentalen Spieles mit dem Gesang ausmacht, verjagt die Familie und stellt Avant Fans vor Herausforderungen.
Und schon allein, was Luke Damrosch (Guzheng, Madal, Revrev Supercollider software, mastering and production) und Alan Sondheim (Alto Clarinet, Bb clarinet, Alto recorder, Irish Banjo, Alpine zither, Viola, Cura saz, Electric guitar, di Giorgio classical guitar, Qin, Chromatic harmonica, Electric saz, Long-necked saz, Oud, Pipa, Shakuhachi, Madal, Erhu, Dan moi, production) auf die Beine stellen, scheut jeden Vergleich und ist kompositorisch und melodisch ebenso ausgefallen und tendenziell atonal, wie dies überhaupt die Stilistik ist, in der das Trio arbeitet.
Avantgarde Anti Folk trifft auf Anti Jazz Free Form. Klassisches, folkloristisches und elektrisches Instrumentarium, teilweise konventionell, teils ausgefallen gespielt, treffen auf Computersoftware und die Stimme Azure Carters (Voice and Songs), der Ehefrau Alan Sondheims.
Die Art des Gesanges ist kaum exaltiert, aber doch befremdlich und amelodisch, sehr unkonventionell und trotz der warmen, weichen Stimme krass gewöhnungsbedürftig und keine Ergänzung zur instrumentalen Seite der Musik, sondern ein Kontrapunkt, der von einer anderen Komposition zu kommen scheint.
Manches der instrumentalen Stücke ist in seiner folkloristischen Lyrik fast eingängig, hat Filmmusikcharakter und wirkt im kahlen Arrangement der ‚leeren' Songs tief melancholisch und angenehm. Die wilderen, hektischen Stücke indes flechten dichte Melodiemuster, die gegeneinander arbeiten und sich wild umtanzen, bis kaum noch nachvollzogen werden kann, wie sich dieses irre Geflecht entwickelte.
Wenn mittelalterlich sakral anmutender Gesang (unter der Albumtitel ist durchaus etwas explizit) der weiblichen Stimme auf Maultrommel trifft, wird der Ansatz des Trios besonders deutlich - dies ist Forschung in die Tiefe der Musik. Dabei versucht das Trio, alle Konventionen abzustreifen, kann dies aber nicht ganz. Denn selbst wenn ein Versuch wie die Kombination aus weiblicher Stimme auf tonalen Mustern der alten Solosakralmusik (die nicht weiblich ist) und so einem Unikum wie Maultrommel, das rhythmisch, aber nicht melodisch genutzt werden kann (oder kaum, hier jedenfalls nicht), so sind doch Stimme und Instrument als solche vertraut und die Komposition nicht ausgefallen genug, jenseits aller weiteren Musik aktiv zu sein. Auf der anderen Seite gibt es nur ausgefallen und extrem avantgardistisches Musikmaterial, das mit diesem zu vergleichen wäre. Weder Free Jazz noch Avant Folk treffen ansatzweise die Intention des Trios. Insofern ist "Threnody" weit entfernt von allem, was schön, leicht und konventionell, und ebenso von anderen ausgefallenen, experimentellen oder avantgardistischen Spielweisen, anzuhören ist.
Und es macht Spaß, dem schrägen Spiel zuzuhören (sobald die Hürde des Openers genommen ist). Wie das Trio über seine Ideen ‚stolpert', den Instrumenten so etwas wie Musik schenkt, ist schon recht kurios.
Da es, trotz der relativen Antiharmonie, kaum besonders laut oder schrill wird und selbst Azures Stimme schließlich als solche akzeptiert ist, werden die stochastisch kaum zu zählenden Zuhörer ihre Forschung am Musikobjekt entspannt genießen können.

publiceyesore.com
VM



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