Age "Age 1" "Age 2" (Eigenproduktionen 2003/05)

Kennen gelernt habe ich Age auf der Zappanale 2006. Das Sechserpack spielte als zweite Band am Freitag auf der großen Bühne. Die Soundcrew hatte noch nicht die idealen Einstellungen gefunden. Zwar kam die Band gut rüber, aber hin und wieder kamen böse laute Fiepser und Störgeräusche aus den Boxen. Der Klang war noch nicht gut ausbalanciert. Das Publikum noch im Ankommen. Doch die Berliner spielten locker und frisch ihren komplexen Progressive Rock.
Später sprach in die Band an und führte ein Interview mit Aaron Grahovac und Michael Schmid, das bereits online ist. Age wurde auf Initiative des Komponisten Aaron Grahovac gegründet, der, als er als Musiklehrer nach Berlin kam, erst den Plan hatte, ein Orchester zu gründen, aber an der Organisation der vielen Orchestermusiker scheiterte und ein kleineres Ensemble gründete. Seine Einflüsse sind neben J.S. Bach, Skriabin und Gubaidulina die Progressive Rock Klassiker King Crimson und Yes und viele weitere, wie etwa Coldplay, Radiohead oder Muse.
Age sind (oder waren bis vor kurzem, die Band sucht in Berlin einen neuen Schlagzeuger): Aaron Grahovac (komp, lyrics, voc, org, key, vib, sitar), James Eccles (vi), Michael Schmid (b), Marc Plitzner (g), Klaus Walter (dr) und Saxophonist. Zwei CDs haben die Berliner bereits eingespielt. "Age 1" ist eher als Demo zu verstehen. Der Sound ist alles andere als optimal, die Neugierde auf die außergewöhnlich interessante Musik nimmt das jedoch gern in Kauf (und freut sich doch darauf, dass die Songs einmal neu eingespielt werden). Der 1. Track auf der CD ist ein CD-Rom-Track, der als Webseite aufgemacht ist. Enthalten sind Videos im Studio, Soundschnipsel und allerlei mehr. Track 2 bis 5 sind Ausschnitte aus den anschließenden 4 ganzen Tracks.
Die 4 Tracks sind insgesamt 20 Minuten lang. Größere Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Bands gibt es erfreulicher Weise wenige. Age haben einen eigenen Klang, eigene Arrangements, die sich nicht sonderlich an bekannte Strukturen anlehnen, dennoch aber durch und durch Progressive Rock sind. Entfernte Ähnlichkeiten, das wird auf "Age 2" deutlicher, sind im Früh-70er Prog zu finden, etwa bei Colosseum, Genesis und im frühen Progressive Jazzrock. Die tragenden Musikinstrumente sind Keyboards (um das mal so zusammenzufassen), Saxophon und Violine.
Auf der Zappanale Bühne kam Aaron Grahovacs Stimme recht dünn rüber und so überrascht die CD mit umso kräftigerem Gesang. Deutlicher wird das auf der ersten "richtigen" CD, "Age 2". Die 8 Stücke bringen es auf eine Länge von 62 Minuten, einer davon ist über 12, einer über 10 und 2 über 9 Minuten lang. Hin und wieder passieren auch im Progressive Rock die komischsten Sachen. Da gibt es Bands, die ihre schmalen Ideen, die kaum für 2:32 Minuten reichen, auf 17 Minuten ausdehnen. Bei Age ist das nicht der Fall. Die Songs sind nicht ansatzweise langatmig, die Ideen sind knapp und hinreißend in Szene gesetzt. Die flüssigen und hochkomplexen Arrangements sind von grandioser Qualität.
Einflüsse zeigen sich neben Colosseum, King Crimson und Genesis und der klassischen Avantgarde Musik in einem Stück in indischer klassischer Musik. Aaron Grahovac spielt die Sitar jedoch nicht wie im Psychedelic Rock mit langen Tönen, sondern komplex und intensiv. Das hinreißend melodische Spiel der Viola und des Saxophons ist bemerkenswert. Bass und Schlagzeug halten den komplexen Rahmen dynamisch, die Gitarre baut mit metallischer Härte die Grundlinien nach und spielt einige exzellente Soli.
Mein Lieblingsstück ist das knapp 6-minütige "Strange Event". Das melancholische Motiv hat eine tiefe Ruhe, die in rhythmischen Brüchen angesägt wird und in einem verrückten agogischen Zentrum ausschwebt, und wieder zur Stille zurückkehrt. Die Melodie wird vom wundervoll gespielten Vibraphon getragen. Göttlich!
"Resurrection" steht dem kaum nach. Der harte Rocker hat seine Tücken und überrascht mit komplexen Ideen. Traumhaft die von Genesis inspirierte Ballade "Sleeping Dogs" mit akustischem Part, der klassische Ausbildung und Inspiration ebenso wie ein exzellentes Gespür für Jazz verrät. Die Krönung der CD ist das 12-minütige "The Golden Country". Vibraphon gibt es sehr viel auf der CD zu hören, hier konzentriert es sich stark. Wunderbar das letzte Stück "Eyes In Waters", dessen Jazz-Gesangslinie ausgezeichnet mit der symphonischen Note harmoniert. Der vertrackte Rhythmus, die harte Gitarre, der klare Klang der Viola und die symphonischen Keyboards schaffen auf der runden, vollen Basis des Bassspiels eine hinreißende Harmonie.
Der Sound der CD ist nicht ideal, als Eigenproduktion aber erstaunlich gut.
Age sind in der Prog-Szene noch unbekannt. Das sollte sich schleunigst ändern. "Age 2" wird viele Freunde finden, davon bin ich überzeugt. Zudem plant Aaron Grahovac, 7 CDs mit seinem Ensemble einzuspielen - das Material dazu muss nur noch einstudiert werden. Die Ideen für die Songs auf den CDs sind teilweise schon vor 18 Jahren entstanden. Über die Jahre ist viel Material zusammengekommen, das jetzt nur darauf wartet, eingespielt zu werden. Kann ich kaum erwarten!

age-1.de
VM



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