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Advent "Silent Sentinel" (Advent Music 2015)


Mir ist die US-amerikanische Band zwar bekannt, doch erinnerte ich bis zu diesem Album nicht (mehr), wie großartig und eindrucksvoll die Musik der sechsköpfigen Band ist - oder sie war zuvor noch nie so gut wie 2015. Über 15 Songs und 77:28 Minuten CD-Spielzeit hinweg sind auf dem aktuellen Album "Silent Sentinel" so verschiedene, fabelhaft anspruchsvolle und ansprechende Progressive Rock - Ideen zu hören, dass nur zu hören und staunen bleibt. Mittelalterliche Madrigal-Gesänge plus komplexe Ideen aus dem Gentle Giant - Kosmos treffen auf canterburyianischen Rock (plus Jazzanbindung) mit den dort vielfach typischen Gesangsarrangements in ebenso komplexer Komposition. Das Ganze ist sehr kurzweilig, straff und kernig arrangiert. Balladeskes hat allen Raum für lyrischen Schönklang, kernige, schnellere Rocksongs gehen dynamisch und herzhaft in ihre Ideen. Dabei verbraucht die Band kaum viele Minuten. Manches Stück ist in zwei Minuten erzählt. "Voices from California" ist mit 7:34 Minuten das drittlängste Stück - und gerade hier finde ich den gentlegiantesken Gesang zu popbetont, zu ‚kalifornisch' - der einzige Track auf der CD mit Manko, meiner Meinung nach.
Das genau 12 Minuten lange "Romanitas" am Ende der CD als rein instrumentaler Albumabschluss ist ein elegantes, episch zartes Stück Symphonic Prog mit mittelalterlichem Folk-Anteil im Geiste Gentle Giants. Vielleicht eine Spur zu statisch, was der Komposition aber gut steht.
Die epischste Nummer ist der 19:11 Minuten kurze Titeltrack, der zahllose Themen in sich vereint, ohne wie Stückwerk zu klingen. Äußerst hinreißend, wie der klassische Symphonic Rock hier neues Leben erfährt. Knifflig vertrackte, schwer komplexe, lyrisch folkige und Jazz-getriebene Motive verweben sehr ansprechend. Da steht das große Vorbild der Amerikaner ein weiteres Mal vor dem geistigen Auge. Die Gesangslinien sind fabelhaft, Solo- wie Chorgesang. Vor allem die Chorgesänge (samt den instrumentalen begleitenden Arrangements) sind auf die Kompositionssprache Gentle Giants bezogen. Vielleicht sind Advent ein Klon, endlich mal einer! Einer, der es draufhat, begabt und inspiriert ist und den Klangraum um das Erbe der Briten, mal akustisch, mal elektrisch erweitert.
Dass Advent gleichzeitig ein ausgeprägtes Faible für Canterbury Rock haben und, vor allem in den etlichen kurzen, sehr schönen Tracks, starke Jazzeinflüsse zulassen, Gesang und instrumental eindrucksvoll arbeiten, macht "Silent Sentinel" einmal mehr besonders. Die akustischen Gitarrentracks sind enorm eindrucksvoll und nicht im Ansatz herkömmlich, banal oder schlicht.
Der Anspruch der Amerikaner ist sehr hoch, die Leistungspunkte enorm anstrengend. Und gewiss ist zu hören, dass Advent kein ‚Original' dieser Spielart sind. Aber wie - und mit welchem Ideenreichtum - sie ihren Ansporn betreiben, macht Laune und ist nur zu würdigen. Es ist kein Hang zur Avantgarde festzustellen, eher zum lyrischen Symphonic Rock, was eine weitere interessante Facette einbringt. Advent können ebenso Freunden der schöngeistigen Spielart des Progressive Rock gefallen wie denen, die Canterbury, Jazzrock, Symphonic Prog oder gar Neoprog mögen - wenn Letztgenanntes eher als Enthärter denn als Kompositionsmittel genannt ist.
Vintage-Keyboard-Fans kommen ebenso auf ihre Kosten: B3, Rhodes, Wurlitzer, CP-70, Clavinet, Moog Source, Sequential Circuits Pro One - was es hier nicht alles an feinen und schönen Klängen zu hören gibt!
Tipp!

adventmusic.net
justforkicks.de
VM



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